: So machen Studiengebühren SpaßTu nix!
Fünf praktische Tipps von Studenten für Studenten zum Thema Gebühren. Ob man einen Kredit aufnimmt, ein Stipendium schnorrt, einfach abwartet oder an die Privatuni wechselt – für jeden findet sich hier die persönliche Lösung. Nur eines sollte man unbedingt vermeiden – klaglos Gebühren zu zahlen
Die Generation Pisa ist die erste Generation, der man durch eine Bildungsstudie nachgewiesen hat, dass sie internationales Mittelmaß ist und weder rechnen noch rechtschreiben und auch nicht recht lesen kann. Sie bleibt lieber sitzen und rafft sich nicht mal mehr zum Demonstrieren auf. Die Generation Pisa, zwischen Mitte der 70er- und Ende der 80er- geboren, lebt in der Ungnade der späten Geburt. Alle an ihr begangenen bildungspolitischen Fehler lassen sich nicht mehr ausbügeln. Eine ans Mittelmaß verlorene Generation.
Nun ist es aber so, dass ebendiese Generation in die verantwortungsvollen Posten der Gesellschaft nachrücken, Entscheidungen treffen und Bildungspolitik machen wird. Allen Befürchtungen zum Trotz ist das kein Grund zur Sorge, denn die Generation Pisa hat ja eines gelernt: sitzen bleiben, ruhige Hand.
Anders gesagt, die irgendwie an die Macht gespülte Generation Pisa wird eine einfache Rechnung aufmachen, die sie aus ihrer eigenen Erfahrung her kennt: Sie wird nichts tun. Sie wird weder Eliteunis, Studiengebühren oder Bildungskredite fordern. Die Agenda der Generation Pisa heißt schlicht: Warten. Daher der Ratschlag an alle Studenten: Bleibt an der Uni, solange ihr könnt, die Talsohle ist durchschritten, ab jetzt geht es bergauf, es kann nur besser werden! Denn der demografische Wandel kommt unerbittlich!
Das Szenario ist wohlbekannt: Deutschland im Jahre 2050, jeder zweite Deutsche ist über 50, jeder Dritte über 70, die Aktienfonds für Stützstrümpfe und Schnabeltassen erzielen prächtige Gewinne. Deutschland ist ein Altenheim aus leeren Einfamilienhaussiedlungen, leeren Schulen und – leeren Universitäten.
Wer im Jahre 2050 noch Student ist, erntet die reifen Früchte einer herbstlichen Republik: keine überfüllten Seminare, ein Professor für zwei Studenten, die Bibliotheken sind Oasen der Ruhe, und nach dem Abschluss werden die Absolventen gleich übernommen. Wozu Eliteunis schaffen? Der demografische Wandel schafft sie ganz von selbst.
DANIEL STENDER
Verkauf dich!
Die Studiengebühren kommen, und ganz Deutschland muss bezahlen. Ganz Deutschland? Nein, eine kleine Gruppe meist hochintelligenter Studenten kommt ungeschoren davon. Für Schlaue und Parteiloyale gibt es eigene Auffanggesellschaften, die Stiftungen und Bildungswerke. Du willst dazugehören? Bewirb dich einfach für ein Stipendium!
Die verschiedenen Stiftungen, ob nun Konrad Adenauer, Friedrich Ebert, Rosa Luxemburg oder Heinrich Böll, bezuschussen ihre Schäfchen einheitlich gemäß den Bafög-Richtlinien, aber ohne Schuldschein. Stipendien müssen nicht zurückgezahlt werden. Dazu gibt es ein Extra-Büchergeld von etwa 100 Euro. Allerdings sind die zu erwartenden Studiengebühren nicht eingerechnet. Noch nicht.
Aber die elf in der „Arbeitsgemeinschaft Begabtenförderungswerke“ zusammengeschlossenen deutschen Bildungswerke haben sich schon etwas Schlaues für die Schlausten ausgedacht: Derzeit verhandeln sie mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung über eine Entlastung der Stipendiaten. Das Idealziel ist eine bundesweite Richtlinie zur Gebührenbefreiung für ihre Stipendiaten. Denn die sollen fleißig studieren und sich nicht die Zeit beim Kellnern um die Ohren schlagen.
Margret Lohmann vom Evangelischen Bildungswerk sieht gute Chancen, dass der Antrag durchkommt. Denn so könnte sich der Staat eine Menge Aufwand und Ärger ersparen. Da die Stiftungen staatlich gefördert werden, würde eine Erhöhung der Zuschüsse zum Ausgleich für Gebühren nur bedeuten, dass staatliche Gelder über tausend Ecken umverteilt werden müssten. Also ein riesiger bürokratischer Aufwand, der am Ende mehr kostet, als dass er nützt.
Wer jetzt natürlich auf ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes spekuliert, sollte schon einiges auf dem Kasten haben. Aber für diejenigen, die lieber handeln als denken, gibt es in Deutschland ja noch die politischen Stiftungen der Parteien. Ganz matt in der Birne sollte man auch hier nicht sein, aber wer schon mal im richtigen Hochschulgremium sitzt und mit der richtigen „Grundeinstellung“ die Hand hebt, der kann sich seiner Förderung ziemlich sicher sein. Auch noch nach der einjährigen Probezeit. NICO STORZ
Kalkuliere!
Mit den Studiengebühren wird den Studenten ein ökonomisches Instrument an die Hand gegeben, dessen sie sich bedienen sollten. Vergleicht einfach, wie sich die Kosten des Studiums zu dessen erwartbarem Nutzen verhalten!
Gleich dreifachen Nutzen versprechen die Gebührenfans: wenn die Unis zusätzliche Finanzmittel haben, verbessert sich erstens die Lehre. Wer Studiengebühren zahlt, darf mitreden und wird gehört, heißt es zum zweiten. Und drittens, zahlende Studis gehen sorgsamer mit dem knappen Gut Bildung um und ziehen ihr Studium schneller durch. Profitieren die Studenten also von Gebühren?
Nein, zumindest nicht, wenn sie dort bleiben, wo sie in der Mehrzahl eingeschrieben sind: an den Massenunis. Denn hier herrscht keine „good economy“. Studiengebühren garantieren nicht automatisch eine bessere Lehre, denn welche Löcher mit dem Geld gestopft werden, entscheiden nicht die Studis, sondern Professoren und Politiker. Und dass die künftigen Einzahler in den Uni-Haushalt mehr Mitsprache erhalten, ist nicht ernsthaft zu erwarten. Sie werden ja keine Anteilseigner. Gebühren sind keine Aktien, sondern gleichen eher Tabaksteuern für leere Bildungshaushalte.
Nur der Druck auf die Studenten wird größer, was unter Umständen zu verkürzten Studienzeiten, sicher aber zu einer erhöhten Abbrecherquote führt. Fazit: Die Studenten sollen mehr leisten, ohne mehr zu bekommen – ein Verlustgeschäft.
Nein, wenn gezahlt werden muss, dann an die Richtigen: nämlich an private Hochschulen. Die überzeugenden Nutzenargumente heißen bessere Lehre, größere Einbindung der Studierenden und „sehr gute Karriereaussichten“. Davon schwärmen die Hochschüler, wenn sie von ihrer Privatuni berichten. Und sie identifizieren sich in einem Maße mit „ihrer Uni“, wie man es von Studenten der FU Berlin wohl kaum erwartet. Warum also Tabaksteuern zahlen, wenn ich mein Geld auch als Beteiligung an dem Erfolgsunternehmen „private Uni“ anlegen kann!
Private Hochschulen bieten übrigens nicht nur Studiengänge für künftige Betriebswirtschaftler oder Manager, sondern auch für Kulturwissenschaftler. Die Kalkulation: Den vergleichsweise höheren Kosten steht die Aussicht gegenüber, neue Berufsfelder zu erobern. Die Privaten versuchen, unerforschtes Land zwischen Wirtschaft und traditionellen Geisteswissenschaften zu besetzen. Deshalb findet man unkonventionelle Studiengänge am ehesten dort, zum Beispiel an der Uni Witten/Herdecke.
Einen Haken gibt es allerdings: Die Studenten müssen die Elite-Atmosphäre mögen oder zumindest resistent dagegen sein. LEON WANSLEBEN
Geh zum Bund!
Eine blonde, lächelnde Beraterin hebt animiert die Arme in die Luft und begrüßt die Studenten: „Bei uns müssen Sie keine Studiengebühren berappen, sondern erhalten ganz im Gegenteil volle Gehaltszahlungen …“ Wunderbar! Solche Frauen mit solchen Angeboten findet man nur auf der Internetseite der Bundeswehr. Die Armee bietet nicht nur das Gratis-, nein, das bezahlte Studium an. Doch die Crux folgt am Satzende: „ … Gehaltszahlungen, die Ihnen als Offiziersanwärterinnen und Offiziersanwärter zustehen“.
Man kommt also nicht drum herum: Um an einer der beiden Bundeswehruniversitäten, in München oder Hamburg, studieren zu dürfen, muss man eine Offizierslaufbahn einschlagen und sich für zwölf Jahre verpflichten. Das heißt konkret: zwölf Jahre Befehle, Drill, Disziplin und Versetzung ertragen. Selbst als Student muss man erst den Vorgesetzten um Erlaubnis bitten, der Öffentlichkeit Auskunft über sein studentisches und militärisches Leben geben zu dürfen.
Doch Melanie Riedel, Politikstudentin und Leutnant zur See, hat mit dieser Hochschulordnung kein Problem. Sie hat sich „ganz bewusst“ für die Militäruni entschieden. Denn bei ihr ist militärischer Dienst Familientradition. Auch ihr Vater ging zur Marine. Als es 2001 auch für Frauen möglich wurde, bei der Bundeswehr zu studieren, bewarb sie sich prompt und wurde angenommen.
Die Regelstudienzeit in München und Hamburg beträgt etwas mehr als drei Jahre. Diese Zeit ist in Trimester unterteilt.
Melanie Riedel und ihre Kommilitonen lernen vormittags in Kleingruppen. Der Nachmittag ist für Zielübungen auf Pappkameraden und andere militärische Übungen reserviert.
Dietmar Strey, Sprecher der „Helmut-Schmidt-Universität“ in Hamburg, betont: „Forschungs- und Lehrinhalte sind frei von militärischem Einfluss.“ Was aber verspricht sich die Bundeswehr davon, Studenten auszubilden, wenn sie doch gar keinen Einfluss nehmen darf? Strey erklärt, dass die Idee auf den Bundeskanzler und Verteidigungsminister a. D. Helmut Schmidt zurückgehe. Er habe keine ungebildeten Verantwortungsträger gewollt. Schmidt hatte gesehen, was „dumme Offiziere“ im Zweiten Weltkrieg angerichtet hatten.
Doch nicht jeder Bewerber muss eine Offizierslaufbahn einschlagen. Es gibt auch zivile Studenten; zur Zeit sind es genau 17. Einer dieser zivilen Studenten ist Daniel Weida. Er ist ein so genannter „Industriestipendiat“. Daniel hatte bei einer Firma ein Praktikum absolviert und war so gut, dass er nun auf Firmenkosten an der Militäruni in Hamburg studiert. In einem Werbeblättchen wird er mit den Worten zitiert, dass es schon irgendwie außergewöhnlich an der Uni sei.
Mit dem Flyer will die Universität Unternehmen ansprechen, um für zivile Industriestipendien Partner zu finden. Doch die Uni wendet sich nur an Firmen, nicht an etwaige Studenten: „Niemand kann sich bei uns auf ein Industriestipendium bewerben“, stellt Strey klar. Die Unternehmen entscheiden allein, wer zum Vorstellungsgespräch kommen darf und wer letztendlich zum Studium zugelassen wird.
Für die anderen gilt: zurück zu Variante A. „Kein anderer Arbeitgeber bietet Ihnen Möglichkeiten wie wir!“, wirbt die Blondine. Studieren bei der Bundeswehr – eine bombige Alternative.
JENNY KRAMER, LEONIE NITSCHE
Leih dir was!
Einige Länder wollen Geld von den Studis. Die Studis haben kein Geld. Nun ringen Bayern, das Saarland und diverse andere Gebührenfreunde mit dem Problem, wie man Geld bekommen soll, von Leuten, die keines haben. Die Antwort scheint so einfach. Die Studenten müssen eben Schulden machen. Doch wer gibt den Studis Kredit?
Baden-Württemberg ist schon weit gekommen mit den Überlegungen in dieser Frage. Ein Bildungskreditmodell eigens für das Ländle soll es geben, teilt das Wissenschaftsministerium mit. Sozial gerecht, offen für jeden, und bezahlt wird erst, wenn der Ex-Studi einen prima Job hat.
Doch wer soll die Sicherheiten übernehmen, für die armen Studis, die selber keine bieten können? Das sei noch unklar, erklärt eine Ministeriumssprecherin freundlich. Welche Bank die Kredite vergeben wird? „Man ist noch in Gesprächen.“ Wann die Gespräche zu einem Ergebnis kommen? „Das weiß man eigentlich auch noch nicht.“
In Hamburg sind all diese Fragen glücklicherweise bereits geklärt. Die Hanseaten brauchen gar kein eigenes Darlehensmodell, heißt es aus dem Hamburger Wissenschaftssenat. Wieso sich Gedanken machen, wenn es doch günstige Bildungsdarlehen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau gibt?
Genau zum richtigen Zeitpunkt hat die KfW damit begonnen, ein neues Bildungskreditmodell zu entwickeln. Sie hat sich bereit erklärt, den Studierenden Geld zu pumpen: 650 Euro Kreditrahmen im Monat soll jeder Studierende ausschöpfen können. Fünf Jahre lang, unabhängig vom Fach gibt’s die Kohle. Offiziell soll das Geld nur dazu dienen, die Lebensunterhaltskosten zu finanzieren. Doch „ob sich ein Student dafür Kaviar kauft oder Studiengebühren bezahlt, ist uns letztendlich egal“, erklärt die Sprecherin der Kreditanstalt. Wer den Darlehensrahmen ausschöpft, hat hinterher 39.000 Euro Schulden. Plus fünf Prozent Zinsen.
Diese Summe dürfte viele Studierende abschrecken. Zum Beispiel wird sich ein Sozialpädagoge bei den momentanen Jobaussichten genau überlegen, schon in jungen Jahren Schuldenberge anzuhäufen. Es besteht also das Risiko, dass dieses Kreditmodell eines für die Sowieso-schon-High-Potentials aus der Fraktion der BWLer und Juristen wird.
Der Stadtstaat Hamburg sieht das Modell jedoch als Lösung aller Probleme. Mehr noch: Es könnte sogar ein Exportschlager werden. Schließlich sollen die Studierenden deutschlandweit lernen, wie Kunden zu denken. Kleine Jungunternehmer sollen sie sein und in ihr ganz persönliches Unternehmen Zukunft investieren. Das Fremdkapital steht bereit. Zumindest theoretisch. LEONIE NITSCHE, NADINE BÖS