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Archiv-Artikel

Aktion mit Sarrazin-Buch löst Debatte aus

KUNST Kritiker vergleichen geplantes Buchrecycling bei Berlin Biennale mit NS-Bücherverbrennung. Haus der Kulturen verlangt „konzeptionelle Klärung“, Bethanien-Chef hält Aktion für „extrem negativ“

Die geplante Künstleraktion, das umstrittene Buch „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin zu sammeln und später zu recyceln, stößt wegen möglicher Assoziationen zur NS-Bücherverbrennung auf heftigen Protest. Der Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums in Potsdam, Professor Julius H. Schoeps, sagte am Freitag: „Dieses Vorhaben ist keine Kunstaktion, sondern ein Akt der Peinlichkeit, den es zu verhindern gilt.“

Der tschechische Künstler Martin Zet hatte dazu aufgerufen, das Sarrazin-Buch an verschiedenen Sammelstellen abzugeben. Bei der Berlin Biennale (27. April bis 1. Juli) sollten die Bücher dann in einer Installation gezeigt und nachher für einen recycelt werden (taz berichtete).

Das Berliner KW Institute, der Veranstalter der Biennale, erklärte nach den Protesten, das Kunstprojekt habe nicht die Vernichtung der Bücher zum Ziel. Zet werde gemeinsam mit dem Publikum an der Frage arbeiten, welchem Zweck die Bücher anschließend zugeführt werden sollten. Der Künstler verbinde mit der Spende und der „Transformation“ der Bücher einen Akt des Widerstands gegen den polarisierenden Inhalt.

Das Berliner Haus der Kulturen der Welt, bisher einer der Unterstützer der Aktion, äußerte sich kritischer und sprach sich für eine „konzeptionelle Klärung“ aus. Dass in der Debatte ein Zusammenhang mit den NS-Bücherverbrennungen hergestellt werde, führe zu einer Polarisierung, sagte Intendant Bernd M. Scherer. „Das Haus der Kulturen der Welt geht deshalb davon aus, dass auch dem Künstler an einer konzeptionellen Klärung gelegen ist.“

Der Geschäftsführer des Künstlerhauses Bethanien in Kreuzberg, Christoph Tannert, verwies darauf, dass nicht nur in der NS-Zeit, sondern auch in Osteuropa zu Zeiten des Kalten Krieges unliebsame Bücher eingezogen wurden. All diese „Dinge einer Zensurausübung“ finde er „extrem negativ“, sagte Tannert am Wochenende im Deutschlandradio Kultur. (dpa)