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Archiv-Artikel

EU-Begeisterung im Osten ungebremst

Ab 2007 wollen Rumänien und Bulgarien zur Europäischen Union gehören. Über die Beitrittsanträge stimmt heute das Europaparlament ab. Die Zustimmung für Bulgarien gilt als sicher. Über die EU-Tauglichkeit von Rumänien herrscht Zweifel

AUS STRASSBURG DANIELA WEINGÄRTNER

Gestern hat das Europaparlament in Straßburg über den Beitrittsantrag von Rumänien und Bulgarien beraten, heute erfolgt die Abstimmung. Während im Hinblick auf Bulgarien mit einer eindeutigen Zustimmung gerechnet wird, könnte es für Rumänien knapp werden. Das heutige Votum ist nach aktueller Vertragslage der einzige Zeitpunkt, wo die Abgeordneten den Beitrittsprozess beeinflussen können. Wenn am 25. April die EU-Außenminister den Beitrittstermin 1. Januar 2007 bestätigen, ist das Europaparlament aus dem Spiel.

Viele Abgeordnete empfinden diese Situation als Dilemma. Zum einen wollen sie der im Dezember neu ins Amt gekommenen rumänischen Regierung, die mit dem Kampf gegen die Korruption Ernst zu machen scheint, eine Chance geben. Zum anderen wollen sie die Notbremse ziehen können, wenn sich die Dinge negativ entwickeln. Immerhin enthält der Beitrittsvertrag eine Sicherheitsklausel. Sie besagt, dass die Verhandlungen ausgesetzt werden können und der Beitritt um ein Jahr verschoben wird, falls Rumänien die Bedenken vor allen in den Bereichen Justiz, Innere Sicherheit und Umweltschutz nicht ausräumen kann.

Der Rat kann diese Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschließen. Um die Abgeordneten mit ins Boot zu holen, haben sowohl Ratspräsident Juncker als auch Kommissionspräsident Barroso brieflich zugesagt, dass sie vor einer solchen Entscheidung dass EU-Parlament anhören wollen. Diese Garantie hat die Zweifler beruhigt.

In einer Anhörung im Europaparlament Mitte März äußerten sich jedoch Fachleute pessimistisch zur Frage, ob das Land von 2007 an die Kopenhagener Kriterien erfüllen wird und als voll funktionierende Demokratie und Marktwirtschaft in die EU eintritt. Korruption, Wahlfälschung und Staatsdirigismus seien an der Tagesordnung. Man müsse davon ausgehen, dass in der letzten Parlamentswahl im November 2004 bis zu 10 Prozent der Stimmen unkorrekt verbucht worden seien. Unverständlich sei, dass die EU keine Wahlbeobachter geschickt habe.

Auch im Wirtschaftsbereich übt Tom Gallagher vom Friedensforschungsinstitut der Universität Bradford harsche Kritik. Staatssubventionen für Privatfirmen würden im Tausch für politische Unterstützung gewährt. „Es ist schwer zu erkennen, welche Kriterien die EU-Kommission zugrunde gelegt hat, als sie im Oktober 2004 entschied, Rumänen sei nun eine funktionierende Marktwirtschaft.“ Der britische Wissenschaftler fordert, die EU müsse ihre Beitrittskriterien für künftige Erweiterungsrunden völlig überarbeiten.

Massive Eigeninteressen einiger Mitgliedsländer steckten dahinter, dass die Kommission bei Rumänien beide Augen zugedrückt habe: Italienische und deutsche Firmen hätten dort viel investiert. Frankreich erhoffe sich vom traditionell nach Paris orientierten Bukarest eine Stärkung seiner Position im Rat. Und die Briten erwarteten sich Verstärkung für das angloamerikanische Bündnis. „Deutschlands Bedeutung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden“, schreibt Gallagher. „Schröders enger Verbündeter Günter Verheugen war zu der Zeit Erweiterungskommissar. Die deutsche Wirtschaft befand sich mindestens seit 2002 in der Krise und neue Märkte, wie Rumänien mit 22 Millionen Verbrauchern, waren wichtiger als in wirtschaftlich stabilen Zeiten.“