: Das Oscar-Barometer
FILM Keine Überraschungen bei den Golden Globes
Mit den Erwartungen und ihrer Erfüllung ist es halt immer so eine Sache. Die Verleihung der Golden Globes Sonntagnacht bestätigte die These, dass im Leben das eigentliche Ereignis nicht mit der Vorfreude darauf mithalten kann. Was ein Abend voller Überraschungen zu werden versprach, hinterließ das schale Gefühl der Vorhersehbarkeit. Stand nicht schon lange fest, dass George Clooney einen Preis erhält, und zwar als bester Schauspieler der Kategorie Drama für seinen Auftritt in „The Descendants“? Gleiches gilt für Meryl Streep, deren Film „Iron Lady“ noch kaum jemand gesehen hat und trotzdem jeder weiß, dass sie großartig darin ist. Oder auch für Martin Scorsese, der den Globe als bester Regisseur für „Hugo Cabret“, seine Hommage in 3-D an den französischen Special-Effects-Maestro der Stummfilm-Ära, George Méliès, bekam. Und auch für Woody Allen, der fürs beste Drehbuch für „Midnight in Paris“ ausgezeichnet wurde. Der ganze Abend wirkte, als hätte man aus der Nominierungsliste einfach die unstrittigsten Namen herausgepickt.
Die Golden Globes seien wie die Oscars – nur ohne das Ansehen, hatte Moderator Ricky Gervais in seiner Eröffnung noch gewitzelt. Es sollte eine seiner „schärfsten“ Anspielungen bleiben, womit sich Gervais als die eigentliche Überraschung erwies. Letztes Jahr hatte er sich unter anderem nicht gescheut, die Stars aus „Sex and the City“ auf ihre Altersretuschen anzusprechen und die Heterosexualität gewisser „berühmter Scientologen“ infrage zu stellen, mit der Folge, dass dieses Jahr die ängstliche Erwartung unter den Stars im Saal fast mit Händen zu greifen war. Doch Gervais ließ alle ins Leere laufen – durch ausgesprochene Milde. So störte nichts den allzu korrekten Ablauf von abgelesenen, steifen Präsentationen und abgelesenen, atemlosen Danksagungen mit der immer gleichen Litanei an Familie, Mitarbeiter und Förderer.
Für viele sind die Globes denn auch lediglich lesbar als Barometer für die Oscar-Verleihung. In den letzten Jahren sieben Jahren schaffte es nur ein Golden-Globe-Gewinner, auch den Oscar als Bester Film abzuräumen: Danny Boyles „Slumdog Millionär“. In den acht Jahren davor, von 1996 („Der englische Patient“) bis 2003 („Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“), hatten die Globes dagegen stets richtig gelegen. Die Stummfilmhommage „The Artist“ geht mit drei Golden Globes – darunter den für die beste Komödie – also durchaus gestärkt ins Oscar-Rennen. Und „The Descendants“, der als einzige Überraschung zum besten Drama gekürt wurde, bekommt Rückenwind.
Als eigentlicher Sieger hinter den Kulissen ließ sich Produzent Harvey Weinstein feiern, dessen Studio verantwortlich für „The Artist“, „The Iron Lady“, „My Week With Marilyn“ und „W.E.“ zeichnet und insgesamt sechs Preise kassierte. Dass Madonna ihm als „the punisher“ dankte und Meryl Streep auf ihn ironisch als „Gott“ Bezug nahm, darf als Anzeige gelesen werden, dass die „Weinstein Company“ nach einer Reihe von schwierigen Jahren zu ihrer früheren Dominanz zurückkehrt.
BARBARA SCHWEIZERHOF