: Den Horizont gerade rücken
betr.: „Der bessere Religionsunterricht“ (Ein neutraler Werteunterricht als Pflichtfach kann über verschiedene Religionen und Weltanschauungen informieren. Das fördert Toleranz und wirkt Fanatismus entgegen) von Thomas Schäfer, taz vom 11. 4. 05
Angesichts der täglichen Berichterstattung, nicht zuletzt zum Papstbegräbnis, verfestigt sich bei mir der Eindruck, dass es innerhalb mancher christlichen Religionsgemeinschaften mehr Fanatismus gibt, als in der ach so schlimmen muslimischen Welt. Daher scheint es mir dringend erforderlich, den Horizont wieder gerade zu rücken und diesen, vom Ansatz her hoffentlich möglichst objektiven Unterricht in allen Schulen einzuführen.
Wer z. B. sieht, dass sich der amerikanische Präsident als Werkzeug Gottes sieht und Andersgläubige als Terroristen verdächtigt, seine Anhänger allen Ernstes behaupten, die Welt sei in nur sieben mal 24 Stunden erschaffen worden (inklusive 24 Stunden Nichtstun), sich Juden als das auserwählte Volk begreifen, das tun kann, was immer es will, und manche Muslime auch in Deutschland ungestraft behaupten können, dass jede unverschleierte Frau eine Nutte ist, kann man nur für einen solchen Unterricht sein. Alle Mittel, die auch nur im Ansatz die Chance bieten, etwas gegen die neu erstarkten Aufklärungsgegner zu tun, sollten im Interesse einer lebenswerten Gemeinschaft ergriffen werden. Schulische Bildung ist mehr als das Beibringen von mathematisch-technischen und sprachlichen Fertigkeiten, sie werden nur leider nicht bei der berühmten Pisa-Studie abgefragt.
Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der die Gesellschaften nach den ebenso einfachen wie grausamen Denkmustern eines George W. Bush oder eines Otto Schily funktionieren.
GÜNTER HEELEIN, Gevelsberg
Was will der Autor erreichen? Eine gesellschaftliche und bildungspolitische Unterstützung von LER? Ja, ist legitim, kann als allgemein gültiges Postulat akzeptiert werden.
Was greift der Autor an? Die angeblichen „Machtinteressen von latent autoritären Institutionen wie der christlichen Kirche“. Welch ein grandioser altbackener Schwachsinn! Ich unterrichte seit fast zwei Jahrzehnten Evangelischen Reli, bei mir hat noch nie ein kirchlicher Kontrolleur vorbeigeschaut. Ich mache im Reli-Unterricht das, was meine Schüler interessiert, genauso wie tausende anderer RU-Lehrer auch. Weshalb soll ich mich von meiner protestantischen Religion mehr distanzieren, hier stehe ich frei nach Luther, das Wischiwaschi einer multikulturellen (wer hat nur diesen inhaltslosen Begriff geprägt) ist nichts für mich, auch meine Aijshe ist mir ein vollwertiger Mensch, auch wenn sie es und ihre türkischstämmigen Mitschüler zu Hause und in der Koran-Gemeinde anders vermittelt bekommen.
LER war nie gedacht als Vermittlungsinstanz für Religionen oder als Instrument zur Informationsbeschaffung. Wenn Herrn Schäfer keine Differenzierung gelingt, geschweige die zwischen evangelischer und katholischer Kirche, sollte doch die Frage gelten: was soll LER nach des Philosophen Schäfers Meinung? Etwa die Frage nach der Sinnsuche für junge Menschen beantworten? Dann erwarte ich reflektierte religionsunabhängige Ziele, aber nicht dieses Wiederkäuen vorgestriger Argumente!
GÜNTER SLUYTERMANN VON LANGEWEYDE, Bielefeld
Manche Stellungnahmen von Politikern und solche in Leserbriefen basieren auf merkwürdigen Annahmen über Lehrer in öffentlichen Schulen. Lehrer, die gewissenhaft das breite Spektrum ethischer Handlungsmuster präsentieren, seien demnach „prinzipienlose“ Roboter, die nur unverbindlich einen „Mischmasch“ vorstellten. Weil sie keinen eindeutigen Weltanschauungsbezug hätten, agierten sie „Werte-los“, sagt man, und seien, was gediegene Erziehung angeht, wertlos.
Solche Argumentationsmuster basieren in jedem Fall auf Gedankenlosigkeit, vielleicht aber auch auf bösartiger Diffamierung. Denn jeder Lehrer ist im Schuldienst der Wertebasis unseres Grundgesetzes verpflichtet. (Ob er diese gut vertritt, kann offen bleiben, auch Religionsunterricht ist ganz oft völlig unterm Niveau!) Dieser Wertekanon enthält eine Fülle christlicher und humanistischer Werte und solche der Aufklärung und der UN-Charta. Was könnte unseren Kindern Besseres geschehen, als im Unterricht Menschen zu begegnen, die für diesen Wertekanon stehen, ihn leben und unterrichten. Dieses Sortiment an Werthaltungen ist jedem jungen Menschen zuzumuten, also auch per Pflichtunterricht, ohne dass solches als staatliche Indoktrination abgekanzelt wird.
Wenn Eltern (und junge Menschen) mehr an Werten oder mehr an bestimmten Werten vermittelt haben möchten, steht ihnen der Weg zu allen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften offen. Dass diese in ihren eigenen Bildungseinrichtungen häufig genug nur Schwangerschaftsgymnastik und Nordic Walking lehren, zeigt allerdings, dass sie an glaubensbezogener Wertebildung selbst gar nicht sonderlich interessiert sind.
FRIEDRICH HALFMANN, Haltern am See