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Archiv-Artikel

Regierung klagt ihren Richter an

SPANIEN Richter Baltasar Garzón steht vor Gericht, weil er den größten Korruptionsfall der regierenden Volkspartei in Valencia aufklären will. Ihm drohen 17 Jahre Berufsverbot

AUS MADRID REINER WANDLER

Spaniens Starrichter Baltasar Garzón sitzt seit gestern auf der Anklagebank. Garzón wird „Rechtsbeugung“ vorgeworfen: Er habe bei der Untersuchung des wohl größten Korruptionsfalles der spanischen Demokratie gegen ein Netzwerk rund um die regierende konservative Partido Popular (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy Gespräche zwischen Anwälten und Angeklagten in Untersuchungshaft mit dem Ziel abgehört, das Verfahren zu beeinflussen. Die damals Abgehörten stehen in den nächsten Monaten wegen Korruption vor Gericht und fordern für ihren früheren Ankläger Garzón 17 Jahre Berufsverbot.

Eine Verurteilung wäre das Ende für Spaniens mutigsten Richter, der in seinen 22 Jahren am obersten Strafgerichtshof Spaniens Ermittlungen gegen Drogenkartelle, die ETA und gegen die Verbrechen der Franco-Diktatur führte. International bekannt wurde Garzón 1998, als er einen Haftbefehl gegen Chiles Exdiktator Pinochet erließ.

Garzón bestreitet nicht das Abhören der PP-Politiker in den Korruptionsermittlungen. Die Anwaltsgespräche mit den Beschuldigten in der U-Haft seien mitgeschnitten worden, da die Gefahr bestand, dass das Netzwerk mit Hilfe der Anwälte Beweise vernichtet und Konten leert, auf die Millionen Euro aus öffentlichen Kassen geschafft worden waren. „Solide Indizien deuteten darauf hin, dass einige Anwälte in die Geldwäsche verstrickt waren“, sagt Garzón. Die Struktur der Unternehmen und ihre Verzweigung in Steuerparadiese „belegte, dass die Beschuldigten in der Untersuchungshaft weiterhin verbrecherisch tätig waren, um weiter Geld zu waschen“, sagt Francisco Baena, der Anwalt Garzóns.

Das Abhören wurde sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch von Garzóns Nachfolger im „Fall Gürtel“ für rechtens befunden. „Caso Gürtel“ war der Tarnname der Untersuchungen in der korrupten konservativen Regierung von Valencia, da der Hauptbeschuldigte Francisco Correa heißt – was auf Deutsch „Gürtel“ bedeutet. Garzón selbst ordnete an, dass die Abhörprotokolle nicht benutzt werden dürfen, um die Verteidigung der Angeklagten zu behindern.

Es ist das erste Mal, dass sich ein Richter wegen eines mutmaßlichen Verfahrensfehlers der Anklage der Rechtsbeugung ausgesetzt sieht. Normalerweise werden Abhörprotokolle, sollten sie sich als nicht rechtmäßig erweisen, in der Hauptverhandlung als Beweismittel nicht zugelassen. Strafrechtliche Konsequenzen für den Ermittlungsrichter hatte dies bisher nie.

Kommende Woche wartet ein weiteres Verfahren auf Garzón. Die Kläger – drei faschistische Organisationen – beschuldigen Garzón, die Verbrechen der Franco-Diktatur untersucht zu haben, obwohl er wusste, dass er nicht zuständig war. Sie fordern 20 Jahre Berufsverbot.