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Archiv-Artikel

Chinas Wunsch – Europas Sorge

Eine Aufhebung des Waffenembargos lehnt die Mehrheit der Länder der Europäischen Union ab. Nur Deutschland und Frankreich plädieren für ein Ende

AUS STRASSBURG DANIELA WEINGÄRTNER

Heute werden im Deutschen Bundestag Politiker aller Parteien ihre Bedenken dagegen äußern, das Waffenembargo gegen China aufzuheben. Der Widerstand dort ist ähnlich groß wie im Europaparlament, wo die Abgeordneten gestern über einen Bericht zur europäischen Außenpolitik abstimmten, der folgenden Absatz enthielt: „Das Europaparlament bedauert, dass die Beziehungen zu China nur im Handels- und Wirtschaftsbereich Fortschritte gemacht haben, ohne irgendwelche grundlegenden Erfolge, was die Fragen im Bereich der Menschenrechte und der Demokratie angeht; es fordert den Rat deshalb auf, das Waffenembargo nicht aufzuheben und Möglichkeiten zur Erleichterung des Dialogs, zum Abbau der Spannungen und zur Unterstützung der Abrüstung im Zusammenhang mit den Beziehungen zwischen China und Taiwan zu finden.“

Das klingt nach Einigkeit quer durch die Parteien und auf allen politischen Ebenen. Auch die USA lehnen europäische Waffenlieferungen nach China ab. Auch sie führen die unverändert schlechte Menschenrechtslage ins Feld. Tatsächlich fürchten sie vor allem eine Kräfteverschiebung in Asien. Amerikanische Soldaten in der Straße von Taiwan könnten im Ernstfall mit europäischen Waffen angegriffen werden. Anfang Februar drohte der Kongress in Washington, bei Aufhebung des Embargos die Rüstungszusammenarbeit zwischen den USA und den europäischen Ländern zu überprüfen.

Dennoch machen sich Gerhard Schröder und Jacques Chirac dafür stark, das Embargo zu beenden. Schließlich ist China inzwischen nach den USA der wichtigste Handelspartner der Europäischen Union. Offiziell aber haben sie sich ein verblüffendes Argument einfallen lassen: Das Embargo habe sich als unwirksam erwiesen und solle besser durch einen verschärften Waffenexport-Kodex ersetzt werden. Mit anderen Worten: Da wir Europäer uns ohnehin nicht an unsere eigenen Spielregeln halten, können wir sie genauso gut auch abschaffen.

Tatsächlich lassen sich Waffenexporteure immer weniger vom Exportverbot beeindrucken. Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung haben sich die Waffenexporte aus der EU nach China innerhalb von zwei Jahren verachtfacht – von 54,4 Millionen Euro im Jahr 2001 auf 415 Millionen 2003. Fast die Hälfte davon kam laut EU-Statistiken aus Frankreich. Auch das aber ist nur Kleinkram, verglichen mit dem russischen Marktanteil, der allein 2004 2,16 Milliarden Dollar betrug. Deshalb ist Russlands Präsident Putin ein flammender Befürworter des EU-Embargos – aus ganz eigennützigen Gründen, wie er Anfang März in einer Pressekonferenz zugab.

Den geplanten verschärften Exportkodex will Frankreich nur als freiwillige Verpflichtung gelten lassen. Immerhin sollen künftig nicht nur abgelehnte Lieferanfragen, sondern auch die tatsächlich gelieferten Waffen veröffentlicht werden. Technologien, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können, sollen stärker als früher kontrolliert werden. Ein Thema, das Deutschland in besonderem Maße betrifft. Wie das Berliner Informationszentrum für transatlantische Sicherheit in einer gemeinsam mit Oxfam vorgelegten Studie feststellte, wurden zwischen 1999 und 2003 technologische Komponenten für die Waffenproduktion im Wert von 15 Milliarden Euro in befreundete Länder exportiert. Von Großbritannien, Frankreich oder Israel gehen die Endprodukte dann in Krisengebiete. So kann das strenge deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz ausgehebelt werden.

Inzwischen sieht es so aus, als würden Frankreich und Deutschland angesichts des breiten Widerstands ihren Vorschlag zurückziehen – zumindest bis zum Ende des Jahres. Der ehemalige Studentenführer Wuer Kaixi, der 1989 die Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking mit anführte, sagt dazu: „Wenn Europa jetzt vorangeht und das Embargo aufhebt, frage ich mich schon, was China eigentlich getan hat, um ein solches Entgegenkommen Europas zu verdienen. Europa macht damit die Entscheidung, ein solches Embargo überhaupt verhängt zu haben, im Nachhinein lächerlich.“