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Archiv-Artikel

Moderne Errungenschaften

IMPORT/EXPORT Die kaiserliche Villa Katsura war in Japan fast vergessen, als Bruno Taut ihre schlichten Formen entdeckte. Populär wurde das Haus durch Fotos von Ishimoto Yasuhiro, nun im Bauhaus-Archiv zu sehen

Ishimotos Fotos sehen aus, als wollte das Gebäude Mies van der Rohes Formel „Less is more“ illustrieren

VON RONALD BERG

Der Bau sieht aus, als habe Piet Mondrian einen Job als Innenarchitekt bekommen. Die typisch rechtwinkligen Kompositionen des abstrakt arbeitenden Malers haben erstaunliche Ähnlichkeit mit den durch Holzbalken proportionierten Wänden des Hauses. Auch sonst wirkt das Gebäude auf den Fotos durch und durch modern. Dabei stammt die Villa Katsura in Kioto aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.

Westliche Begriffe wie Villa oder kaiserlicher Palast wecken allerdings falsche Vorstellungen. Im Grunde handelt es sich um eine Komposition ineinander verschachtelter Räume unter ein paar spitzen Holzschindeldächern. Schiebetüren aus Papier verbinden mehr, als dass sie die wie leer wirkenden Räume trennen. Das Hauptgebäude und einige kleinere Nebengebäude stehen in einer vielgliedrig gestalteten Gartenlandschaft. Den Mittelpunkt bildet ein Teich. Verbunden sind Häuser und Garten durch variierend gepflasterte Steinpfade.

Einen wirklichen Überblick über die 50.000 Quadratmeter große Anlage bekommt man in den Fotos von Ishimoto Yasuhiro nicht (hier in japanischer Schreibweise mit dem Familiennamen Ishimoto vorne). Die meisten der 55 Aufnahmen in der aktuellen Ausstellung des Bauhaus-Archivs setzen auf Details und schneiden etwa die schiefen Dächer über den Fassaden in der Regel einfach ab. Übrig bleiben jene rechtwinkligen Kompositionen in strengem Schwarzweiß, wie sie der modernen Malerei des Westens entsprungen sein könnten. Das ist kein Zufall. Ishimoto fotografierte Katsura, als die abstrakte Moderne der künstlerische Mainstream im Westen war.

1954 kam Ishimoto im Auftrag des New Yorker MoMA das erste Mal nach Katsura. Ishimoto hat zwar japanische Wurzeln, wuchs aber in den USA auf und erhielt seine Ausbildung am Institute of Design in Chicago, der Nachfolgeinstitution des dortigen New Bauhaus. Moderne und Modernität prägten Ishimotos damaligen Blick. Und so sehen seine Fotos auch aus, als würde das Gebäude beständig Mies van der Rohes modernistische Formel „Less is more“ illustrieren wollen.

Paradoxerweise tritt einem also in dieser zusammen mit der Japan Foundation besorgten Ausstellung kein altjapanisches, sondern ein modernes Gebäude entgegen. In Japan war das Haus lange Zeit so gut wie vergessen. Erst als Bruno Taut es 1934 im japanischen Exil als eine Inkunabel des modernistischen Bauens entdeckte, wurde es im Westen bekannt. Die Eloge des Großmeisters des modernen Siedlungsbaus auf die schlichte und scheinbar ornamentlose Schönheit des Baus, vor allem der Hinweis auf die Vorwegnahme etlicher moderner Errungenschaften wie Skelettbauweise, Präfabrikation, fließende Raumaufteilungen oder Standardisierung nach dem Größenmaß der Fußbodenmatten machten dann auch Japaner auf die Qualitäten der Villa aufmerksam. Allerdings sollten erst die Fotos von Ishimoto der modernistischen Rezeption des Hauses das kongeniale Bildmaterial zu Verfügung stellen. 1960 erschienen Ishimotos Fotos von Katsura in einem Buch in den USA mit Texten des ehemaligen Bauhaus-Direktors Walter Gropius und des modernistischen Architekten Kenzo Tange. Auch das Layout besorgte ein Ex-Bauhäusler: Herbert Bayer. Das Buch war ungewöhnlich erfolgreich und erlebte schnell mehrere Auflagen. Katsura traf den Zeitgeist.

Wie sehr Ishimotos Fotos die Rezeption der Architektur bestimmten, wird deutlich, wenn man weiß, dass der Fotograf – inzwischen japanischer Staatsbürger und Hochschullehrer in Tokio – Anfang der achtziger Jahre die Villa Katsura noch einmal fotografierte. Zwar benutzte er immer noch eine großformatige Plattenkamera, fotografierte nun aber auch in Farbe. Diese Aufnahmen erschienen 1983 als Buch. Der japanische Architekt Arata Isozaki, der einen Text für das Buch schrieb, entdeckte nun in der Villa Katsura eine „vielschichtige, dualistische, zufällige und insgesamt unklare Komposition“. Ishimoto/Isozaki machten aus Katsura – der Zeitgeist hatte umgeschlagen – nun eine Art postmoderner Collage.

Die Farbaufnahmen fehlen leider im Bauhaus-Archiv. Dafür gibt es eine Trouvaille: Ein Gemälde von Herbert Bayer aus dem Fundus des Bauhaus-Archivs zeigt sich offenbar von Ishimoto inspiriert. Bayers Komposition mit ihrem seltsamen runden Fleck im Zentrum nimmt als Motiv die Aussichtsplattform zur Betrachtung des Mondes auf, wie sie Ishimoto 1954 fotografiert hatte. Diese Terrasse resultiert aus der Wahl des Standortes für die Villa. Angeblich könne man hier sehr gut den Mond beobachten.

■ Bauhaus-Archiv, Klingelhöferstr. 14, täglich außer Dienstag 10–17 Uhr. Bis 12. März