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Archiv-Artikel

„Zusammenarbeit macht glücklich“, sagt Lord Richard Layard

In Industriegesellschaften wird der Wettbewerb zwischen Menschen überbetont. Und Werbung fördert Unbehagen

taz: Professor Layard, Sie forschen über den Zusammenhang zwischen Glück und Gesellschaftsordnung. Welches Ergebnis hat Sie am meisten beeindruckt?

Lord Richard Layard: Das Aufregende daran ist, dass wir jetzt wissen, dass das Glück ein objektiv messbares Phänomen ist. Das Wohlbefinden korrespondiert mit Aktivitäten im linken Stirnlappen des Gehirns. Bei negativen Gefühlen ist hingegen eine gesteigerte Aktivität im rechten Stirnlappen festzustellen. Wir können sehen, dass diese Messungen übereinstimmen mit dem, was Menschen selbst über ihr Wohlbefinden aussagen.

Was sind die wichtigsten Faktoren für Glück ?

Ganz oben auf der Liste stehen die menschlichen Beziehungen, Familie, Partner und Freunde. Wichtig ist auch, Arbeit zu haben. Denn Arbeit sorgt dafür, dass wir mit anderen in Kontakt kommen. Dementsprechend dramatisch sind die Einbußen an Wohlbefinden, wenn Menschen eine Scheidung durchmachen oder ihren Job verlieren: Sie haben dann nicht mehr das Gefühl, gebraucht zu werden.

Erzeugen die menschlichen Beziehungen in einer Wettbewerbsgesellschaft nicht auch Stress?

Der Wettbewerb wird heute leider stark in den Vordergrund gestellt und weniger die Kooperation. Dabei haben Forschungen doch gezeigt, dass die Hirnbereiche, die für das Wohlbefinden verantwortlich sind, aktiver sind, wenn Menschen miteinander kooperieren.

In der Gesellschaft wird aber der Eindruck verbreitet, dass beruflicher Erfolg entscheidend ist für das persönliche Glück.

Die Frage ist doch, wie wir die Balance halten zwischen Wettbewerb und Kooperation. Wenn Menschen immer härter versuchen, andere zu übertreffen, wird es damit für andere schwerer, wiederum an anderen Menschen vorbeizuziehen. Wenn es hundert Sprossen auf der Leiter gibt und jemand emporklettert, muss jemand anderes dafür absteigen. Deswegen verändert sich das allgemeine Wohlbefinden in der Gesellschaft nicht, wenn Leute immer nur versuchen, aufzusteigen. Diese Anstrengung geht auf Kosten von anderen Aktivitäten, die uns glücklicher machen, etwa die Zeit, die wir mit unseren Familien, Kindern, Freunden und Hobbys verbringen.

Mit dem beruflichen Erfolg erlangen wir aber auch ein höheres Einkommen, spielt das nicht eine Rolle für das Glück?

Wenn man eine beliebige Gesellschaft betrachtet, sind wohlhabende Menschen grundsätzlich im Durchschnitt etwas glücklicher als arme. Beispielsweise geben in Großbritannien vom ärmsten Viertel der Bevölkerung nur 29 Prozent an, „sehr glücklich“ zu sein, beim reichsten Viertel hingegen sind es 40 Prozent. Wir bewerten unsere Einkommenssituation allerdings relativ, nämlich im Verhältnis zu anderen. Deswegen sind die Menschen in den USA, Japan und Großbritannien im Durchschnitt in den vergangenen Jahrzehnten nicht glücklicher geworden, obwohl sich das Realeinkommen in dieser Zeit erhöht hat.

Dann wäre also entscheidend für unser Glück, mit wem wir uns vergleichen?

Ein gutes Beispiel dafür ist der Osten Deutschlands nach der Wiedervereinigung. Man hätte ja annehmen können, dass die Zunahme an Wohlstand die Ostdeutschen glücklicher gemacht hätte. Aber im gleichen Zeitraum wechselten sie ihre Referenzgruppe: Zuvor verglichen sie ihren Wohlstand mit denen der Menschen in den anderen Ostblockländern und schnitten bei diesem Vergleich gut ab. Doch dann maßen sie sich mit den Westdeutschen und empfanden sich als vergleichsweise arm und weniger glücklich.

Für arme Menschen bedeuten 100 Euro mehr oder weniger im Monat immer einen großen Unterschied …

Für einen armen Menschen kann eine kleine Geldsumme zusätzlich mehr zum Wohlbefinden beitragen als für einen Reichen. Deswegen sollten wir durchaus auch dafür sein, Einkommen umzuverteilen. Aber wir sollten nicht glauben, dass das alle Probleme löst. Ich denke, wir müssen unbedingt eine Wertedebatte führen. Und dabei spielt die Werbeindustrie eine entscheidende Rolle.

Hat die Werbung einen Einfluss darauf, ob sich Menschen glücklicher fühlen oder nicht?

Die Werbeindustrie erzeugt Wünsche in den Menschen und plötzlich meinen sie, bestimmte Dinge zu brauchen. Wir können feststellen, dass Fernsehwerbung die Menschen beeinflusst. Je mehr sie Fernsehen schauen, desto ärmer fühlen sie sich. In experimentellen Studien wurden Frauen Bilder von Models gezeigt und ihre Stimmung davor und danach gemessen – sie haben sich schlechter gefühlt, nachdem sie die Bilder mit den Models angeschaut hatten. Ihren Ehemännern wurden die Models gleichfalls gezeigt und die Wertschätzung für ihre Frauen verringerte sich dadurch. Deswegen denke ich, wir sollten darüber nachdenken, Werbung zumindest für die Zielgruppe von Kindern unter zwölf Jahren zu verbieten, wie es in Schweden gemacht wird.

In allen Glücksuntersuchungen fühlen sich jene Menschen besser, die einen Glauben haben. Macht Religion also glücklich?

Die Religion hilft den Leuten, das Leben so zu akzeptieren, wie es ist. Sie ist nicht konkurrenzbeladen und deswegen eine Entlastung.

INTERVIEW UND ÜBERSETZUNG AUS DEM ENGLISCHEN: BARBARA DRIBBUSCH