Wettkampf in der Provinz

TRIPLE-ULTRA-TRIATHLON Im beschaulichen Lensahn treffen sich alljährlich Sportverrückte, um den dreifachen Ironman zu bewältigen. Der Veranstalter verzichtet dabei bewusst auf Sponsoren und Würstchenbuden

Den Triathlon in Lensahn hat Wolfgang Kulow installiert. In einer Zeit, als der Ironman „Wahnsinn“ war

VON ROGER REPPLINGER

Am Samstag um acht wird der Regen stärker. Dabei ging’s eigentlich gut los, am Freitag um sieben. 11,4 Kilometer schwimmen im Waldschwimmbad, da war es von oben halbwegs trocken. Um 16 Uhr dann ein Gewitter, bis auf einen saßen alle auf dem Rad und waren auf einer der 67 Runden, die dann zusammen 540 Kilometer ergeben. Der eine war noch im Wasser und bei Gewitter ist das gefährlich. „Vincenzo, weiß jemand wo Vincenzo ist? Sein Team sucht ihn“, sagt der Sprecher. Radfahren in sintflutartigem Regen. Rennleiter Wolfgang Kulow überlegt, „das Rennen zu neutralisieren“.

Kulow ist seit 18 Jahren Rennleiter, seit dem ersten Triple-Ultra-Triathlon in Lensahn. „Ich hab’ das installiert“, sagt er, „ich hab’ mir das ausgedacht.“ Und zwar in einer Zeit, in der ein Marathon noch „was Besonderes“, und ein Ironman wie der auf Hawaii als „Wahnsinn“ galt. In dieser Zeit wollte Kulow einen Wettkampf über die dreifache Ironman-Distanz organisieren. In der Provinz. In Lensahn. „Ich dachte, die jagen mich weg“, sagt Kulow. Doch Bevölkerung und Bürgermeister machten mit. Im Jahr 2009 halfen 250 der 5.000 Einwohner. Heinz Egloff stiftete seinen Wäschetrockner, wurde von den nassen Athleten gut angenommen.

Lensahn macht mit, „obwohl keiner mit Geld wedelt“, sagt Kulow. Vor einigen Jahren bestand die Gefahr, dass sich Sponsoren reindrängeln. Dann hätte Kulow mehr Siegprämie als die 1.500 Euro, die es 2009 gab, zahlen können. Will er nicht, er findet, dass es von kommerziellen Veranstaltungen genug gebe. „Dann stehen hier überall Würstchenbuden und der Sprecher stellt die Sponsoren vor. Die stehen dann im Vordergrund und das ist der Leistung der Athleten gegenüber nicht angemessen“, so Kulow. Trotz niedriger Prämien steigt die Zahl der Athleten. „Wir hätten 70 starten lassen können“, sagt Kulow, „aber wir wollen keine Massenveranstaltung und außerdem kriegen wir die nicht im Schwimmbad unter“.

Kulow weiß, was er tut: Er ist beim „Race across America“ auf dem Rad durch die USA gefahren, zwei Mal ist er durch die Wüste gelaufen. Kulow gehört zu den wenigen Menschen, die den zehnfachen Ultra geschafft haben: 38 Kilometer Schwimmen, 1.800 Kilometer Radfahren, 420 Kilometer Laufen. Das war 1992 in Mexiko. Damals hat er sich gefragt, wie das funktionieren soll. Diesmal auch. So stark war der Regen in der Nacht auf Samstag. Prompt ist Tom Elholm in den Graben gefahren. Kam von der Straße ab, hoppelte übers Gras, dann über einen Radweg, noch mal Gras, in den Zaun. Tom wachte erst auf, als er im Zaun hing. Einige Zaunbretter waren Kleinholz. Toms Rad auch. Tom zuckte nicht, legte sich für eine Stunde aufs Ohr und nahm dann das Rad eines dänischen Landsmanns.

„Vincenzo, weiß jemand, wo Vincenzo Catalano ist? Wenn jemand einen weinenden Italiener auf der Radstrecke sieht, bitte melden“, sagt der Sprecher. Am Samstag gegen Neun beendet Guy Rossi, mit 61 Jahren der älteste Teilnehmer, das Radfahren. Da hat Spitzenreiter Matej Markovic (Slowenien) schon den ersten der drei Marathons hinter sich. In vier Stunden elf Minuten. „Danke“, sagt Rossis Frau, als Guy das Rad abstellt. Er kommt nicht allein aus Hemd und Hose. „Man muss sie behandeln wie Babys“, sagt seine Frau.

Guy ist zum neunten Mal in Lensahn. „Willst Du was essen?“, fragt sie. Nein. „Welcher Platz?“, fragt er. „Vierzehnter.“, sagt sie. „Aah“, stöhnt er und fragt: „Wer ist Dreizehnter?“ „Thomas Worm“, sagt sie. „Aah“, stöhnt er und fragt: „Wie viel Vorsprung?“ Sie guckt auf den Zettel: „Sechs Minuten.“ Guy macht: „Aha“.

Jeder Teilnehmer hat ein Zelt, in dem der Betreuer sitzt, der so wenig schläft wie der Athlet. Janez Markovic, 63, passt auf seinen Sohn Matej auf. Matej ist Referent für Sport der slowenischen Armee. „Er trainiert viel“, sagt der Vater, während der Sohn locker seine Runden läuft. Der Schweizer René Schiegg lässt sich die Füße massieren und einschmieren. Er sitzt in einem Campingstuhl. So schwer, aufzustehen. Und Vincenzo Catalano? Lag in der Turnhalle der Realschule Lensahn und pennte. Verpennte die Sonne.