Verhinderter Kapitän

Nach grandioser Aufholjagd fehlt der deutschen Handball-Nationalmannschaft in der 58. Minute des Zwischenrundenspiels gegen Gastgeber Serbien nur noch ein Treffer zum Ausgleich. Bundestrainer Martin Heuberger nimmt die letzte Auszeit, um die letzten, entscheidenden Spielzüge anzusagen – dicht umringt von seinen Spielern. Vom äußersten Ring des Kreises versucht sich einer Gehör zu verschaffen, der eigentlich in der Mitte stehen müsste: Pascal Hens, der Kapitän.

Der Kapitän auf dem Papier, müsste man mittlerweile sagen: Bei diesem Turnier, in dem es auch um die Qualifikation für die Olympischen Spiele in London geht, ist Hens bislang nur sporadisch zum Einsatz gekommen. Auf seiner Position im linken Rückraum ist „Pommes“ vom Flensburger Lars Kaufmann und vom Berliner Sven-Sören Christophersen verdrängt worden, seine Rolle als Leader nehmen Torwart Silvio Heinevetter und Kreisläufer Christoph Theuerkauf ein. Letzterer gibt auch die Parole für die letzten beiden Minuten gegen Serbien aus: „Der Sieg ist unser“.

Dazu reicht es zwar nicht, aber durch Christophersens Ausgleich zum 21:21 verschafft sich die deutsche Mannschaft eine hervorragende Ausgangsposition für die letzten beiden Gruppenspiele und den Einzug ins Halbfinale.

Vor zehn Jahren standen die Vorzeichen für Pascal Hens genau andersherum. Als Bankdrücker kam der junge 2,03 Meter-Schlaks zur EM nach Schweden. Im Laufe des Turniers avancierte er zur entscheidenden Säule des Teams, hatte großen Anteil am Gewinn der Silbermedaille. Im kollektiven Gedächtnis der Fans ist sein Aufstieg untrennbar verbunden mit der Glanzzeit des deutschen Handballs, die 2007 im WM-Gewinn gipfelte.

Parallel dazu steht der wurfgewaltige Hens auch für den Aufstieg des HSV Handball vom Retortenklub zum Deutschen Meister. Aber während er in Hamburg weiterhin von erfahrenen Spielerpersönlichkeiten wie den Gilles-Brüdern oder Michael Kraus umringt ist, sind in der Nationalmannschaft Mitstreiter wie Christian Schwarzer, Daniel Stephan und Markus Baur nicht mehr dabei. Schon im Vorfeld der EM waren Zweifel laut geworden, ob Hens deren Rolle ausfüllen kann. Zumal er auch beim HSV in der Liga-Hinrunde nur selten zum Einsatz kam.

„Pommes ist eine wichtige Säule und er wird das auch wieder zeigen“, ist Bundestrainer Heuberger überzeugt. Daran scheint ihn bislang die Bürde der Führungsverantwortung zu hindern. Auch heute gegen Dänemark wird Hens die wahrscheinlich nicht abschütteln können: Am Sonntag lag er mit einem Magen-Darm-Infekt flach. RLO