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Archiv-Artikel

Die exotische Gefahr

Bürgerschaft will per Verordnung die Haltung „gefährlicher Tiere wild lebender Arten“ regeln. Immer mehr Menschen wohnen mit Schlangen, Echsen und anderen Reptilien unter einem Dach

Von Elke Spanner

Die Matratze auf dem Fußboden, daneben das Terrarium. Wolfgang Poggendorf kennt Leute, die sich ihr Schlafzimmer mit Giftschlangen eingerichtet haben. Ein Biss, und man ist tot, aber Angst macht das den Haltern offenbar nicht. Es sind eher die Nachbarn, die eine Gänsehaut kriegen, wenn sich plötzlich eine Schlange durch den Gemeinschaftskeller schlängelt. Und diese Fälle, sagt der Leiter des Tierschutzvereins, nehmen zu. Das Halten exotischer Tiere ist in Mode gekommen.

Der Schutz der Anwohner aber „ist wichtiger als die extravaganten Wünsche mancher Tierhalter“, sagt der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Andreas Dressel. Seine Fraktion hat eine Verordnung ausgearbeitet, die die Haltung „gefährlicher Tiere wild lebender Arten“ regelt. Die liegt zurzeit dem Umwelt- und Innenausschuss der Bürgerschaft zur Beratung vor, und CDU und GAL haben ebenfalls bereits Handlungsbedarf angemahnt. Tritt die Verordnung in Kraft, ist die Haltung bestimmter Tiere genehmigungspflichtig und nur noch in Ausnahmefällen zuzulassen.

Katzen können Allergien auslösen, Kaimane nicht

Für manchen Tierliebhaber hat die Entscheidung fürs Reptil ganz banale Gründe: Katzen- und Hundehaare können Allergien auslösen, Klapperschlangen und Kaimane nicht. Überwiegendes Motiv dürfte aber eher der Reiz des Exotischen oder der Ausreizung von Grenzen sein, nach der Extremsportart jetzt also die Bodenviper auf der Auslegeware.

Mit den Tieren nehmen aber auch die Unfälle zu. Voriges Jahr lag in einer Hamburger Klinik ein Mann mehrere Tage auf der Intensivstation, der in seiner Wohnung 20 Schlangen hielt und von einer gebissen wurde. Immerhin hat er es noch geschafft, die 112 zu wählen. Ein Zufall: „Die meisten Menschen, die gebissen werden, fallen in Ohnmacht“, erklärt Poggendorf. „Wegen der starken Schmerzen oder dem Schock“. Und ist jemand nicht mehr in der Lage, der Polizei mitzuteilen, was für ein Tier genau ihn angefallen hat, ist kaum zu hoffen, dass er das passende Gegenserum erhält.

Allein im vergangenen Jahr sind rund 190 Schlagen und Echsen im Tierheim an der Süderstraße gelandet. Nicht alle sind gefährlich, viele aber schon. Trotzdem war ihre Sicherung beim Halter oft schlecht. „Es kann nicht vernünftig sein, sich im Baumarkt ein paar Leisten und Fensterglas zu kaufen und selbst ein Terrarium zu zimmern“, beschreibt Poggendorf die Praxis vieler Reptilienbesitzer. Das Tierheim stellt Auflagen an Schlangenfans, die sich dort ein Reptil besorgen wollen – mit der Konsequenz, dass die Vermittlungsquote ausgesprochen dürftig ist: Das Terrarium muss aus bruchsicherem Verbundglas sein, ein Sicherheitsschloss haben und exakt beschriftet sein, damit die Helfer im Notfall wissen, welches Gegengift sie spritzen müssen.

Auch die Tiere selbst sollen geschützt werden

Doch nicht nur Menschen, auch die Tiere sollen per Verordnung geschützt werden. „Artgerechte Haltung von Schlangen“, fasst der SPD-Politiker Dressel zusammen, ist „in einem Wohnsilo in Steilshoop eben nicht möglich“. Schlangen brauchen Bademöglichkeiten und unterschiedliche Klimazonen, und damit ist nicht das Anwerfen der Nachtspeicherheizung gemeint. Tritt die Verordnung in Kraft, muss man für die Giftschlangen-Lizenz die „artgemäße und verhaltensgerechte“ Unterbringung nachweisen und selber Gegengifte für den Ernstfall bereithalten.

Dass Hamburg keine Verordnung zum Halten von Exoten hat, macht die Stadt selber zum Exoten. Andere bundesdeutsche Großstädte wie Berlin und München haben den Besitz von gefährlichen Tieren längst unter Auflagen gestellt. In Hamburg soll als Teil der Verordnung eine Liste erarbeitet werden, auf der grundsätzlich verbotene Tierarten aufgezählt werden. „Es passt nicht“, sagt Dressel, „dass Hamburg bei gefährlichen Hunden die harte Linie fährt, bei gefährlichen Exoten aber beide Augen zudrückt.“