: Des Bachelors Bangen
Den Nachteil „Schmalspurakademiker“ und den Vorteil „Turbostudent“ sehen Arbeitgeber mit gemischten Gefühlen
Peter Stählin ist sich sicher: Allein mit dem Bachelor (B.A.) in der Tasche habe er auf dem Arbeitsmarkt „keine Chance“. Berufsqualifizierend sei dieser Hochschulabschluss mitnichten, schimpft Stählin, der seit 1999 an der TU Hamburg-Harburg den Bachelor-Studiengang „Allgemeine Ingenieurwissenschaften“ studiert. „Die Absolventen will kein Unternehmen haben.“ Unmissverständlich formuliert er deshalb sein Ziel: Diplom-Ingenieur Peter Stählin.
Rund 4.000 Studierende verließen nach Angaben des Hochschulinformationssystems (HIS) in den Jahren 2002 und 2003 die Hochschulen mit einem Bachelor, der meist schon nach sechs Semestern verliehen wird. Bis 2010 soll der B.A. die Regel sein und „für die Mehrzahl aller Studierenden zu einer ersten Berufseinmündung führen.“ So wollen es zumindest die Kultusminister der Länder. Doch heute streben 77 Prozent der vom HIS befragten Uni-Abgänger noch den ebenfalls neu eingeführten Master an, der nach vier weiteren Semestern Studium vergeben wird. Unter den AbsolventInnen der Fachhochschulen waren es immerhin noch 58 Prozent.
Dementsprechend gering ist bislang die Zahl derer, die schon nach drei Jahren Hochschule in den Beruf drängen. „Wir haben nur ganz wenige Bewerbungen von Bachelor-Absolventen“, sagt Frank Schmith, bei der Lufthansa Technik in Hamburg für das Personalmarketing verantwortlich. Auch beim Chemie-Riesen Baiersdorf gibt es unter den dort beschäftigten Naturwissenschaftlern noch keinen mit Bachelor, weiß Konzernsprecher Klaus Peter Nebel, im Nebenberuf Professor an der lettischen Kulturakademie und Leiter des dortigen Studienganges „Medien- und Kulturmanagement“. Bachelors finden sich bei Baiersdorf vor allem im kaufmännischen Bereich. „Dort landen sie in den Trainee-Programmen“, sagt Nebel – „wie die Fachhochschulabgänger auch.“ Spezielle Einstiegspositionen für Bachelor-AbsolventInnen, wie sie etwa die Deutsche Bahn geschaffen hat, gibt es hier nicht.
Der Baiersdorf-Sprecher spart auch nicht mit der Kritik an den allenthalben neu etablierten Abschlüssen. Die Umstellung komme einem „Verwirrspiel“ gleich, in der Industrie herrsche „eine gewisse Ratlosigkeit“. Jeder zweite Arbeitgeber, fand die HIS-Studie heraus, hat noch keine Ahnung, was sich eigentlich hinter dem Bachelor verbirgt. Er habe den Eindruck, schimpft Nebel, hierzulande gehe es in erster Linie darum, „möglichst viele Studierende in nur sechs Semestern durchzuschleusen.“ Doch gerade im technisch-naturwissenschaftlichen Sektor dürfe man nicht erwarten, dass die Bachelors das gleiche könnten wie ein Diplom-Ingenieur nach acht oder zehn Semestern. Es bestehe durchaus die Gefahr, warnt Nebel, dass hier „Schmalspurakademiker“ herangezüchtet würden. Gerade die theoretische Ausbildung komme zu kurz.
Die Angst treibt auch Igor Sacks um. Der 27-jährige studiert im sechsten Semester „Information Engineering“ an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg. Für das Bachelor-Studium hat er sich eigentlich nur entschieden, weil die alten Diplomstudiengänge an seiner Hochschule bereits abgeschafft waren. Heute bereut er seine Wahl – nachdem ihm klar geworden ist, dass sein Bachelor nicht mit einem Diplom gleichzusetzen ist. Personaler Schmith hingegen hält die unter den Bachelor-Studierenden weit verbreitete Furcht, später als akademischer Dünnbrettbohrer zu gelten, für „prinzipiell unbegründet“. Für Jobs in Forschung und Entwicklung seien sie allerdings ungeeignet. Auch an der viel beschworenen Praxisnähe des reformierten Studiums hapere es, sagt Schmith – wiewohl die Protagonisten des Bachelors versprochen haben, es werde künftig an der Theorie gespart.
Julia Pressburger muss sich dennoch um ihre berufliche Zukunft keine Sorge machen. Davon ist die 24 Jahre alte Studentin der Technischen Informatik überzeugt. Und das liege nicht allein an der guten Infrastruktur am Standort Hamburg. „Ich kann meinem Arbeitgeber plausibel erklären, warum ich nicht schlechter bin als jemand, der ein Diplom hat.“ Den Master strebt sie vorerst nicht an, noch nicht: Sie habe erst einmal genug von der Hochschule. „Ich muss in die Welt hinaus.“ Jan Zier