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Archiv-Artikel

Regierungskrise in Rom: Kippt Berlusconi?

Christdemokraten verlassen Italiens Rechtskoalition, weil sie sich mit der Forderung nach einem kollektiven Rücktritt der Berlusconi-Truppe nicht durchsetzen konnten. Seit der Niederlage bei den Regionalwahlen tobt Streit

ROM taz ■ Nach dem Scheitern eines Krisengipfels der italienischen Rechtskoalition am Donnerstagnachmittag und dem Rücktritt von vier christdemokratischen Ministern gestern steht Silvio Berlusconis Regierungsbündnis in seiner bisherigen Form vor dem Aus. Die Parteiführer von Berlusconis Forza Italia und ihren drei Partnern waren zusammengetreten, um über die Konsequenzen zu beraten, die die Regierung aus der verheerenden Niederlage bei den Regionalwahlen vor knapp zwei Wochen ziehen müsse. Bei den Wahlen hatte Romano Prodis linkes Oppositionsbündnis elf der dreizehn an die Urnen gerufenen Regionen für sich erobert. Zudem lagen die Mitte-links-Parteien mit 51% erstmals seit Berlusconis Einstieg in die Politik deutlich vor der Rechten; vor allem Forza Italia musste mit einem Rückgang auf nur noch gut 18 % (nach 29 % bei den nationalen Wahlen 2001) herbe Verluste einstecken.

Zwei Koalitionspartner, die postfaschistische Alleanza Nazionale (AN) und die christdemokratische UDC, machen für das Wahldebakel die „Achse des Nordens“ zwischen den beiden anderen Partnern Forza Italia und Umberto Bossis Lega Nord verantwortlich. Die Regierung habe völlig die Interessen des Südens vernachlässigt, ebenso die der Normalverdiener und der Unternehmer, und stattdessen zum Beispiel mit der letzten Steuerreform einseitig Großverdiener aus dem reichen Norden begünstigt. Zudem habe sie mit der nordfreundlichen Föderalismusreform die Wähler des Südens vernachlässigt – jenes Südens, in dem AN und UDC ihre Hochburgen haben.

Die AN, geführt von Vizeministerpräsident und Außenminister Gianfranco Fini, forderte deshalb jetzt eine explizite programmatische Wende, die sich Berlusconi in einer Vertrauensabstimmung vom Parlament absegnen lassen sollte. Noch weiter ging auf dem Krisengipfel die UDC: Sie forderte rundheraus den Rücktritt des Kabinetts, um dann mit einer komplett erneuerten Regierung Berlusconi II den Neustart zu wagen.

Eben dazu aber ist der Ministerpräsident nicht bereit. Er vermutet in der Forderung der UDC eine Falle, um einen anderen Politiker an die Spitze der Regierung zu befördern, und schließt einen Rücktritt daher kategorisch aus. Ebenso will er die programmatische Wende in engen Grenzen halten, um nicht den einzigen treu ihm zur Seite stehenden Koalitionspartner, die Lega Nord mit ihren gut fünf Prozent, zu verprellen. Vor diesem Hintergrund zog die UDC gestern ihre vier Minister aus dem Kabinett zurück.

Eine Neuauflage der Koalition in ihrer bisherigen Form erscheint ausgeschlossen. Berlusconi bleiben nur zwei Optionen: eine Minderheitsregierung, von außen durch die UDC gestützt, oder sofortige Neuwahlen. Die erste Option scheint kaum gangbar, da eine nicht in die Kabinettsdisziplin eingebundene UDC ihre Vetomacht voll ausspielen könnte. Bleibt der Weg der Neuwahlen; sie allerdings würden die sichere Niederlage Berlusconis bedeuten. Auf dem Donnerstagsgipfel schon soll er geblafft haben, er sei schließlich Milliardär und habe es „nicht nötig, von der Politik zu leben“.

MICHAEL BRAUN