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Archiv-Artikel

Mehr Freiheit für Anbieter von Gas und Strom

Bundestag verabschiedet Energiewirtschaftsgesetz. Preissenkung zunächst nicht erwartet. Schadstoffausstoß muss künftig auf der Rechnung stehen

HAMBURG taz ■ Der Bundestag hat die Voraussetzungen für einen echten Wettbewerb bei der Strom- und Gasversorgung geschaffen. Mit rot-grüner Mehrheit verabschiedete er gestern das neue Energiewirtschaftsgesetz. Das Vorschriftenpaket soll verhindern, dass Unternehmen durch hohe Durchleitungsgebühren oder technische Hürden an der Belieferung von Kunden gehindert werden.

Preissenkungen für die Endkunden werden sich wohl nicht gleich ergeben, weil sich die Versorger zunächst auf den schärferen Wettbewerb einstellen müssen. Dem Gesetz muss der Bundesrat zustimmen. CDU und FDP befürworten das Regelwerk zwar grundsätzlich, haben aber Änderungen gefordert.

Das Energiewirtschaftsgesetz verpflichtet die Versorger, die Leitungsnetze und den Handel mit Strom und Gas von unterschiedlichen Gesellschaften betreiben zu lassen. Die Belieferung mit Gas soll ähnlich organisiert werden wie beim Strom: Der Versorger leitet irgendwo Gas ins Netz, das sein Kunde an einer beliebigen anderen Stelle abzapfen kann. Preiserhöhungen für das Durchleiten von Strom sollen vorab, beim Gas im Nachhinein überprüft und genehmigt werden. Dies ist allerdings nur eine Zwischenlösung bis zum Start einer Anreizregulierung durch eine neue „Bundesnetzagentur“, die künftig den Wettbewerb bei Strom, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen regulieren soll.

Die Bundesnetzagentur darf bei den Netzbetreibern die Informationen abfordern, die sie braucht, um die tatsächlich entstandenen Kosten einschätzen zu können. Und sie ermittelt im Verglich auch mit anderen europäischen Netzbetreibern angemessene Nutzungsentgelte. Die effizientesten Unternehmen sollen hierbei die Maßstäbe setzen, so dass die Preise sinken. Zwischen 2001 und 2005 sind die Netznutzungsentgelte nach Angaben der Regulierungsbehörde um 46 Prozent gestiegen. Bei Haushaltskunden schlagen diese zu 40 Prozent auf den Strompreis durch. Für die Verbraucher sieht das Gesetz Beschwerde- und Klagemöglichkeiten vor. Stromanbieter müssen angeben, wie hoch der stündliche Schadstoffausstoß des gelieferten Stroms ist.

Nach Einschätzung der Beratungsfirma Mummert und des FAZ-Instituts wird das Gesetz einen Investitionsschub auslösen. Sie hatten 100 Spitzenmanager deutscher Energieunternehmen zur Lage der Branche befragt. 67 Prozent planen bis 2007 Investitionen in Regulierungs- und Informationsmanagement, 63 Prozent in den Ausbau des Stromnetzes, 58 Prozent in Marketing und Vertrieb. In den Emissionshandel dagegen wollen nur 14 Prozent investieren. Die Mummert-Berater vermuten, dass die Kraftwerksbetreiber gut mit Emissonsrechten ausgestattet sind und aufgrund des Baus sparsamer neuer Anlagen künftig sogar Emissionsrechte werden verkaufen können. Nur 21 Prozent der Manager rechnen für die kommenden 3 Jahre mit einem Sinken der Strompreise.

Ein großer Arbeitsplatzabbau sei trotz des Kostendrucks nicht zu befürchten, sagt Rainer Poremba von Mummert. Zum einen sei die Branche recht profitabel. Zum anderen könnten viele Jobs schlecht ins Ausland verlagert werden. GERNOT KNÖDLER