: Regieren bis zur letzten Minute
Baden-Württembergs Ministerpräsident Teufel waltete noch in den vergangenen Wochen, als werde er ewig im Amt bleiben. Bevor er sich dem Seniorenstudium der Philosophie zuwendet, wird er heute mit einem Staatsakt in Stuttgart verabschiedet
VON HEIDE PLATEN
Das sind Aufgaben, die er immer gern erfüllt hat. Wenn Ministerpräsident Erwin Teufel Orden verleiht, ist der 65-Jährige ganz bei sich und bei Menschen, denen er sich nahe fühlen kann. Fast fünfzig Verdienstmedaillen verteilte er vergangene Woche im Weißen Saal des Stuttgarter Neuen Schlosses an Lebende und Tote. Das war ihm während seiner 14-jährigen Amtszeit schon immer einer der liebsten Termine, deshalb hat er ihn in diesem Jahr zehn Tage vorverlegt. Da schüttelte er noch einmal jovial die Hände von verdienten Oberbürgermeistern, Professoren, Theologen, gab einer Schauspielerin leutselig Wangenküsschen.
Heute Vormittag wird Erwin Teufel, der Ende Oktober, gedrängt vor allem von den eigenen CDU-Parteifreunden, seinen Rücktritt erklärte und nur noch auf Abruf regierte, mit einem feierlichen Staatsakt in der Stuttgarter Oper verabschiedet. Unter den Festrednern sind Daimler-Chef Jürgen Schremp und der Schriftsteller Martin Walser. Gleichzeitig erhält er die Ehrenbürgerwürde seines Wahlkreises Villingen-Schwenningen, den er im Landtag 33 Jahre lang vertrat. Weitere Feierlichkeiten hatte er sich im Vorfeld verbeten.
Der Rücktritt dürfte für seinen designierten Nachfolger, den bisherigen Landtags-Fraktionsvorsitzenden Guenther Oettinger, eine Erleichterung sein. Er hatte sich nach seiner Nomierung per Mitgliederbefragung öffentlich Zurückhaltung auferlegt, während Teufel weiterregierte, als werde er ewig am Amt bleiben. Er klopfte Personalentscheidungen fest, verabschiedete Pläne für neue Museen, setzte das Parlament mit einem Sprachförderungsprogramm für Kindergärten unter Druck.
Dass ihn der erzwungene Ruhestand gar nicht so schwer angehe, hat er weidlich wissen lassen. Studieren wolle er, erklärte er im März, schon im Wintersemester 2005 das Studienfach Philosophie an der Jesuitenhochschule München belegen. Seither steht in Frage, ob er die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt. Der Ministerpräsident mit drei Ehrendoktortiteln hat einen gebrochenen Ausbildungsweg. Auch Parteifreunde sagen ihm deshalb einen „Akademikerkomplex“ nach. Er verließ das Albert-Magnus-Gymnasium in Rottweil nach sechs Jahren vorzeitig mit der Mittleren Reife, um Beamter zu werden, absolvierte an der Verwaltungsfachschule Haigerloch vier Semester, die er 1961 als Diplomverwaltungsfachwirt beendete.
Erst im Nachhinein kamen Bedenken auf, ob dies bei den strengen bayerischen Zulassungsbedingungen als Qualifikation für die allgemeine Hochschulreife ausreiche. Universitätskanzler Ignaz Fischer-Kerli beeilte sich, zu versichern, dass ein Studium auch mit einer Begabtenprüfung begonnen werden könne. Auch im baden-württembergischen Landesgesetz hatte die CDU-FDP-Koalition erst vor wenigen Monaten noch einmal im Hochschulgesetz festgeschrieben, dass es einer Sonderprüfung bedürfe, bei der Kandidaten nachweisen müssen, dass sie „auf Grund ihrer Persönlichkeit, der geistigen Fähigkeiten und der Motivation für das Studium im gewählten Studiengang geeignet sind“. In SPD-regierten Ländern hätte der Senior Teufel diese Probleme nicht. Die Opposition hatte deshalb ihr eigenes Abschiedsgeschenk: „Erwin Teufel muss studieren können“, proklamierten die Grünen und forderten „mit Sympathie und Respekt“ die Abschaffung der strengen Zulassungsbedingungen. Das Abendgymnasium Stuttgart bot ihm an, dort das Abitur nachzuholen.
Teufel legt sein Amt offiziell am komenden Dienstag nieder, Oettinger soll zwei Tage später vom Parlament gewählt werden. Vorschusslorbeeren erhielt er vor allem von den Naturschutzverbänden, die sich von Teufels Umweltpolitik vernachlässigt fühlten. Die Landtagsabgeordnete Heike Dederer, erst im Januar von den Grünen zur CDU gewechselt, hofft auf mehr Nähe zu grünen Themen: Förderung der Erdwärmekraft, Kampf gegen Feinstaub, mehr Ganztagsschulen. Wer neu im Kabinett von Oettinger sitzen wird, war in den letzten Monaten aber ein gut gehütetes Geheimnis. Oettinger mied Personalentscheidungen schon deshalb, weil er für seine Wahl die Stimmen aller 74 Koalitionäre im Landtag braucht.