: Klaus der Große
TRADITION Friedrich der Große feiert heute seinen 300. Geburtstag. Was dem Preußenkönig recht war, ist dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit billig. Viele Tugenden hat er vom großen Vorbild übernommen, wie ein Blick in die einschlägige Literatur zeigt
■ „Ich glaube, die SPD hat viele andere Leute, aber nicht so einen guten wie mich.“ So sprach Klaus Wowereit, als ihn seine SPD erneut zum Spitzenkandidaten für die Wahl im September 2011 nominiert hatte – und so kann eigentlich nur einer sprechen, der sich selbst für einen Großen hält. In Berlin und Preußen hat das durchaus Tradition. Grund genug, anlässlich des 300. Geburtstags von Friedrich dem Großen, der am 24. Januar 1712 im Berliner Stadtschloss geboren wurde, ein paar – augenzwinkernde – Parallelen von denen ziehen zu lassen, die es wissen müssen: den Friedrich-Biografen. Waren und sind nicht beide beratungsresistent? Selbstverliebt? Homosexuell? Tolerant? Mal sehen also, wann sich der Regierende Bürgermeister den Dreispitz aufsetzt. (wera)
VON UWE RADA
Über seine Jugend
„Bereits Klaus’ Jugendjahre zeugen von seiner Sehnsucht nach Ruhm, spiegeln den Wunsch des Heranwachsenden, ‚sich einen Namen zu machen‘.“
„Seine Kindheit sei ‚die Schule der Widerwärtigkeiten‘ gewesen. Das schrieb Klaus viele Jahre später.“
„Mit dreizehn, vierzehn oder fünfzehn Jahren hat Klaus begonnen, sich eine eigene Vorstellung von der Welt und von seiner Rolle darin zu machen. Klaus wollte er selbst sein, selbst die Welt entdecken, seine eigenen Ideen und Vorstellungen entwickeln.“
„Dass Klaus’ Leistungen, gedankliche wie schriftliche, damals nicht himmelhoch über denen anderer, Gleichaltriger oder Älterer lagen, ist heute nur schwer verständlich zu machen. (…) Klaus war sich seiner dürftigen Fähigkeiten sehr wohl bewusst und mühte sich, wie er schrieb, beflissen um Bildung.“
Über Freundschaften
„Klaus’ Selbstbezogenheit und sein Geltungsdrang machten den Umgang mit ihm nicht einfach.“
„Klaus konnte seinen Spott nie zügeln, zum Leidwesen aller Menschen, die mit ihm zu tun hatten, und ebenso zu seinem eigenen Jammer, weil ihn am Ende auch die letzten Vertrauten verließen.“
„Dass Klaus die Menschen verachtet habe, ist wohl zu viel gesagt. Er war sehr misstrauisch, das stimmt, auch sehr forsch, und immer bemüht, sich in den Vordergrund zu spielen, oft auf verletzende Weise.“
„Klaus gab sich schulmeisterlich selbst dann, wenn er nicht überragend sein konnte, weil er die Dinge, von denen er schrieb, nicht gesehen hatte, nicht erlebt und vor allem nicht gefühlt hatte.“
Über den Geschmack
„Auf den Geschmack, den guten, den feinen, kam es Klaus an. Der Geschmack bildet die Grundlage seines Kunstverständnisses. ‚Was gefällt, ist schön; was missfällt, hat keinen Wert.‘“
Über die Kultur
„Näher als die Wissenschaften waren Klaus die Künste.“
„Für die Öffentlichkeit gedacht war sein weiteres Programm: Er ließ ‚sich angelegen sein, die Stadt Berlin zu verschönern‘.“
„Klaus wandte viel Überlegung auf das Schloss.“
„Mit dem Schlossbau gelang dem Regierenden Bürgermeister ein Neuansatz der Repräsentation, der einzigartig und in der Grundhaltung demokratischen Selbstverständnisses stilbildend gewesen ist.“
„Viele seiner unendlich weit verzweigten, den Künsten und Wissenschaften zugewandten Betätigungen dienten darüber hinaus der Zerstreuung und der Ablenkung von seinen als entsagungsvolle Pflichterfüllung empfundenen Amtsgeschäften.“
Über Politik
„Innere Politik ist für Klaus wesentlich immer Wirtschaftspolitik. Denn an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hängt die Steuerkraft.“
Über die Beamten
„Jeder Beamte weiß, dass er auf bohrende Fragen gefasst sein muss und Rechenschaft abzulegen hat.“
Über Toleranz
„Zum Ruhm des Aufklärers im Amt des Berliner Regierenden Bürgermeisters gehört seine politische Praxis religiöser Toleranz. Will man sie beurteilen, so ist allerdings gleich eine Einschränkung oder vielmehr eine Erweiterung notwendig. Denn diese Praxis beginnt nicht erst mit Klaus.“
Über Männerliebe
„Wenn Klaus für die Frauenliebe nicht geschaffen ist, dann doch umso mehr für die Männerfreundschaft.“
Über Beratungsresistenz
„Klaus hörte nicht auf andere, er nahm von ihnen keine Ratschläge an. Er tat das aus Selbstgefälligkeit und dem daraus erwachsenden Geltungsdrang. Durch diese Charakterzüge war er regelrecht dazu verurteilt, sicher, gefestigt und überzeugend aufzutreten. Er hat deshalb sein Regierungssystem (…) ganz auf sich zugeschnitten.“
„Klaus wollte allen überlegen sein, nicht allein aufgrund seines Ranges als Regierender Bürgermeister, sondern auch seines Geistes und Wissens wegen. Seine Anschauung und darüber hinaus er selbst sollten das Maß der Dinge sein.“
„Klaus war derart von sich eingenommen, dass er andere Meinungen nicht gelten lassen und mit Kritik nur schlecht oder gar nicht umgehen konnte.“
„Wirklich geistvolle Gespräche kamen so nicht zustande, allenfalls oberflächliche.“
Über die Nachfolge
„Klaus wünschte sich einen Kronprinzen nach seinem Ebenbild, der, was Ruhm und Ehre anbelangte, an ihm gemessen werden sollte. Natürlich musste der Vergleich zu seinen Gunsten ausfallen. Darauf zielten sein Ehrgeiz und seine Instruktionen.“
■ Zitate aus den Büchern von Jürgen Luh („Der Große. Friedrich II. von Preußen“), Johannes Kunisch („Friedrich der Große. Der König und seine Zeit“) sowie Christian Graf von Krockow („Friedrich der Große. Ein Lebensbild“). Ersetzt wurden: Friedrich durch Klaus. König durch Regierender Bürgermeister. Fürstlich und höfisch durch demokratisch.
Siehe auch SEITE 23