Imame sollen Jugend aufklären

Die meisten Jugendlichen mit Migrationshintergrund bleiben ohne Berufsausbildung. Ein Kongress in Köln ermutigt Vorbeter in Moscheen, für berufliche Bildung zu werben

KÖLN taz ■ Eine Ausbildung ist wie ein goldener Armreif, heißt es in einem türkischen Sprichwort. Nevzat Ýhraç drückt es weniger blumig aus, meint aber dasselbe. „Ein Beruf ist die Eintrittskarte in die Arbeitswelt“, sagt der türkischstämmige Unternehmer vor fast 200 Vorbetern und Vorsitzenden der Moscheen im Rheinland.

Sie waren am Samstag einer Einladung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, des Deutschen Industrie- und Handelskammertags und der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) nach Köln gefolgt, wo im Ehrenfelder Ditib-Zentrum ein Kongress unter dem Motto „Moscheen aktiv für Berufsausbildung“ stattfand. „Nur 27 Prozent der Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund entscheiden sich in Deutschland für eine Berufsausbildung“, beklagt Martin Wansleben vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Bei ihren deutschen Altersgenossen seien es mehr als doppelt so viele. Neben einem mangelhaften Angebot sei meist die Unkenntnis über Ausbildungsmöglichkeiten der Grund dafür, dass Migrantenkinder keinen Beruf erlernen.

Deshalb soll nun in den Moscheen für die berufliche Bildung geworben werden. Der Kongress diente dazu, die Vorbeter und Vorsitzenden der muslimischen Gemeinden in Deutschland darauf vorzubereiten. Weitere elf Veranstaltungen dieser Art sind bis Ende des Jahres in Berlin, München, Hamburg und anderen deutschen Städten geplant. „Wir werden die Imame nicht zu Berufsberatern machen, aber wir können anregen, dass sie Familien auf die vielfältigen existierenden Beratungsangebote aufmerksam machen“, sagt Katharina Kanschat. Sie leitet die Initiative „Ausbildung in ausländischen Unternehmen“ des Deutschen Industrie- und Handelskammertages und ist mit der Organisation der Kongresse betraut. Kanschat freut sich besonders, die Ditib mit im Boot zu haben. Als größter islamischer Verband in Deutschland vertritt Ditib über 700 Moscheen. Die zentralistische Organisation von Istanbul aus scheint in diesem Fall von Vorteil. „Wir gehen davon aus, dass wir über Ditib die Imame tatsächlich dazu bringen, sich für die berufliche Ausbildung einzusetzen“, so Kanschat optimistisch.

Neben den Eltern und Jugendlichen, die über die Moscheen erreicht werden können, sollen aber auch vermehrt Unternehmer mit ausländischer Herkunft dazu gebracht werden, Ausbildungsplätze anzubieten. In Deutschland gebe es 70.000 Unternehmen, die von Migranten geführt werden, aber nur wenige würden Jugendlichen einen Ausbildungsplatz anbieten, so Wansleben. „Das muss sich ändern. Wir wollen mit unseren Kongressen 10.000 neue Ausbildungsplätze schaffen“, sagt er selbstbewusst. Nevzat Ýhraç, einer der Kongress-Referenten, ist für ihn ein beispielhafter Vorreiter. Der Spediteur bildet in seinem Unternehmen Büro- und Spediteurskaufleute aus und findet es selbstverständlich, seiner Ausbildungspflicht vor allem türkischen Jugendlichen gegenüber nachzukommen.CHRISTIANE MARTIN