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Archiv-Artikel

Wirbel um Werteunterricht

betr.: „Der Berliner Glaubenskrieg“, taz vom 8. 4. 05, „Huber schwätzt im Unterricht“, taz vom 6. 4. 05 und weitere Artikel

Bischof Huber klassifiziert das neue verbindliche Fach als seelenlose Religionskunde. Je nach Mentalität könnte man wütend werden oder einfach nur lachen, wozu ich mehr und mehr neige.

Eines ist dennoch klar, Organisationen neigen nicht zum Suizid, Kirchen schon gar nicht. Deshalb gehört auch der Religionsunterricht alter Art zu dem umfangreichen Repertoire von Kirchen, durch mehr oder weniger sanfte Maßnahmen frühe Prägungen und Bindungen zu schaffen. Die Abkehr hiervon bewirkt einen klaren Wettbewerbsnachteil bei diesem Ziel. Mehr als unverhohlen wird dabei sichtbar, dass es den Kirchen und großen Teilen der auf die Wählerschaft schielenden Parteien noch immer nicht darum geht, dass Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft der mündige Entschluss jedes Einzelnen sein muss.

Ich finde es besonders traurig, dass die SPD, durchdrungen von vielen Formel-Frömmlern, die noch manchen Hardcore-Katholiken in den Schatten stellen, nicht die Kraft zu einer neutralen Position des Staates aufbringt. Ich wünsche den Bemühungen des Senats von Herzen Erfolg und hoffe, dass in gar nicht langer Zeit auch diese Kämpfe und Krämpfe als zwar notwendige, aber überwundene Phasen auf dem Weg zu neuen Verständnisstufen gesehen werden.

JOCHEN SINDBERG

Selbstverständlich kann im Namen des Staates Ethik- und Werteunterricht im Sinne aufklärerischer Prinzipien erteilt werden. Natürlich muss es Ziel eines solchen Unterrichts sein, Schüler zu befähigen, ihre eigenen Ansichten kritisch und rational zu hinterfragen. Diese Forderung gilt für jedes Fach und ist gerade bei einem solch wichtigen Thema unverzichtbar.

Tragfähige ethische Normen benötigen rationale Begründungen, die immer wieder von neuem zwischen Menschen ausgehandelt werden müssen. „Praktizierende Christen“, die solche Begründungen nicht kennen oder aufgrund ihrer religiösen Vorurteile nicht anerkennen oder beurteilen können, sind zur Gestaltung von Ethikunterricht unfähig. Die Forderung, einen aufgeklärten Ethikunterricht zugunsten von Religionsunterricht abwählen zu können, ist ebenso unsinnig, wie den Biologieunterricht (Evolution, Sexualität) oder den Geschichtsunterricht zugunsten von Religionsunterricht abwählen zu können.

Der Unterschied besteht nur daran, dass auf dem Gebiet der Ethik die Aufklärung anscheinend in kirchlichen Kreisen in erschreckend hohem Ausmaß noch nicht angekommen zu sein scheint. Umso wichtiger wäre ein gemeinsamer Ethikunterricht gerade für Kinder aus religiösen Elternhäusern. LARS GAWALLEK

Ich verstehe den ganzen Wirbel um den Werteunterricht nicht wirklich. Dieser Unterricht sollte doch auch dazu dienen, gängige Vorurteile abzubauen und die Unwissenheit über andere Glaubensgemeinschaften aufzuklären. So können doch im Vorfeld Konfliktpunkte und Ausgrenzungen zwischen den ansässigen Kulturen in Deutschland abgebaut werden. Dieser Unterricht kann doch nur ein Gewinn für alle bundesdeutschen Schulen sein. Schließlich wurden die Kinder ja auch nicht gefragt, an was oder wen sie glauben möchten. Sie sollten immerhin dahin gehend gut unterrichtet sein. So wie ich es verstanden habe, werden die hier vorrangigen Religionen ja auch behandelt.

Insoweit wäre es noch schön, wenn Ethik und Sozialkunde ins Pflichtsortiment verankert werden könnten. Vielleicht wäre dies zusätzlich ein Weg in eine etwas verständigere Zukunft. Also nicht dagegenstrampeln, ich hätte mir einen solchen Unterricht zu meinen Zeiten nur herbeisehnen können. AXEL ERBSTÖSSER