Ein Modell mit vielen Facetten

GENOSSENSCHAFTSBANKEN Die Kleinste, die Größte und die Alternativste unter einem Dach. Für Verbraucher sind die Volks- und Raiffeisenbanken wie alle anderen – aber nur fast

■ Das deutsche Bankwesen ruht auf drei, in etwa gleichstarken Säulen: privaten Banken, öffentlichen Sparkassen und den genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken.

■ Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der aufblühende Kapitalismus die Existenz vieler Bauern und Handwerker bedroht.

■ Bürgerliche wie der Jurist und wirtschaftsliberale Parlamentarier Schulze-Delitzsch und sein Partner, der Bürgermeistersohn Friedrich Wilhelm Raiffeisen, begründeten die genossenschaftliche Selbsthilfe beim Kauf von Vieh, der Beratung von Handwerkern sowie bei Sparen und Kredit.

■ Bis 1895 brachten es die lokalen Bewegungen zu einem reichsweiten Spitzeninstitut, der Preußenkasse, die heute als DZ Bank AG in Frankfurt am Main residiert.

■ Im internationalen Vergleich ist die hiesige Geldwelt damit besonders bunt. Verbraucher profitieren davon durch vergleichsweise niedrige Gebühren und umfangreichen Service.

■ So ist trotz häufiger Filialschließungen in der Provinz das Netz der Banken nirgends so eng geknüpft wie in Deutschland. (hape)

VON HERMANNUS PFEIFFER

„Genossenschaft“, das klingt nach Friede, Freude, Eierkuchen, nach Provinzgezänk oder taz, nicht jedoch nach Großbank. Dabei überholte die genossenschaftliche Spitzenbank DZ kürzlich die Deutsche Bank als größter Anbieter von Zockerprodukten. Doch unter dem großen Dach der zentralen Einrichtung der Volks- und Raiffeisenbanken tummelt sich eine sehr bunte Welt aus Geldverleihern aller Art.

Deutschlands kleinste Bank ist in den Tiefen Schleswig-Holsteins zu Hause, einschließlich Putzfrau arbeiten bei der Raiffeisenbank Struvenhütten eG sechs Banker. Das „eG“ steht für eingetragene Genossenschaft. Die eintausend Kunden sind gleichzeitig Genossenschaftsmitglied, bestimmen Vorstand und Aufsichtsrat und kassieren am Jahresende eine ansehnliche Dividende von zurzeit 5 Prozent. „Wir sind gut durch die Krise gekommen“, sagt Vorstand Wolfgang Mohr.

Gesundes Wachstum statt Subventionen

Sorgen bereiten ihm die Direktbanken mit ihren Billigpreisen und „die Kranken, die am Tropf hängen“. Gemeint sind Commerzbank, HSH Nordbank und andere vom Staat gerettete Geldgiganten, die „nun mit Konditionen nur so um sich schmeißen“, auch in und um Struvenhütten. Der subventionierten Konkurrenz setzen Mohr und seine Mitstreiter menschliche Kontakte entgegen. Vom Taschengeldkonto bis zur Rente, von der Wiege bis zur Bahre begleite man seinen Kunden. Das Institut gibt es seit 1905. Auch in Zukunft, hofft Mohr, werde man „gesund wachsen“.

Dem gleichen Ziel folgt die Hamburger Volksbank. Das Institut entstand 2007 aus dem Zusammenschluss zweier Genossenschaftsinstitute. Mit 43 Filialen in der Metropolregion gehören die Hamburger schon zu den größeren der 1.121 Kreditgenossenschaften in Deutschland.

Die Volksbank steigerte im vergangenen Jahr ihre Kreditvergabe immerhin von rund 900 auf über 1.000 Millionen Euro. So könnte es weitergehen, wären da nicht die Basel-III-Bestimmungen. Gemäß dieser Richtlinie müssen alle Geldhäuser ihre Geschäfte mit immer mehr Eigenkapital absichern. Was für Multis angemessen sein mag, könnte bei lokalen Genossen und Sparkassen den Geldhahn verstopfen.

„Es kann nicht angehen, dass alle Banken über einen aufsichtsrechtlichen Kamm geschoren werden“, kritisiert Vorstandssprecher Reiner Brüggestrat. Basel III werde das Geschäftsmodell von regional agierenden Sparkassen und Genossenschaftsbanken „ohne Maß und ohne Grenzen belasten“, und das werde unmittelbar die Realwirtschaft bremsen: „Solides Wirtschaften darf nicht kaputt reguliert werden.“

Doch nicht alle Genossenschaftsbanken widerstehen den Verlockungen der schnellen Rendite, und auch viele der 17 Millionen Bankgenossen erwarten das moderne Angebot einer privaten Großbank. Die DZ Bank fungiert als Zentralinstitut für mehr als 900 Genossenschaftsbanken. Tochtergesellschaften, wie die Bausparkasse Schwäbisch Hall oder die R+V Versicherung, stellen „wettbewerbsstarke erstklassige Produkte“ bereit, so ein Sprecher, die dann in den rund 12.000 genossenschaftlichen Filialen der Kundschaft angeboten werden.

Zu diesem Allfinanzangebot gehören auch Zockerprodukte wie Zertifikate. Ein Zertifikat ist ein Wertpapier, das die Kursentwicklung eines Basiswertes widerspiegelt, das kann der Deutsche Aktienindex sein oder die Preisentwicklung beim Weizen. Nach Angaben des Deutschen Derivate Verbandes überholte die DZ Bank 2011 erstmals die Deutsche Bank beim Verkauf von solch hochspekulativen Wertpapieren.

Viele der 17 Millionen Bankgenossen erwarten das moderne Angebot einer privaten Großbank. Die DZ Bank fungiert als Zentralinstitut für mehr als 900 Genossenschaftsbanken mit wiederum rund 12.000 Filialen

Vor dem Bild einer heilen Genossenwelt warnen Gewerkschafter und Verbraucherschützer. „Auch bei Volks- und Raiffeisenbanken ist eine Beratung am Bedarf der Ratsuchenden praktisch nicht existent“, kritisiert Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Vertriebsvorgaben bestimmten wie bei privaten Banken und Sparkassen den Beratungsalltag, und die Karrieren der Banker hingen nicht von der Qualität ihrer Dienstleistung ab, sondern vom messbaren Verkaufserfolg.

Alternativen: Frauen-, Umwelt- und Ethikprojekt

Unter dem großen Dach der Genossenschaften finden sich viele alternative Farbtupfer. Vorreiter im Osten war die Ethik-Bank. Sie ging vor einem Jahrzehnt aus der Volksbank Eisenberg hervor. „Diese Idee ist nicht wie der Blitz aus heiterem Himmel gekommen“, erinnert sich Sylke Schröder. Die Direktbank fördert heute je ein Frauen-, Umwelt- und Ethikprojekt. So begleitet ein Verein mehr als 250 Kinder in bulgarischen Heimen.

Schwergewichtigere Akteure im Bereich ethischer und nachhaltiger Geldanlagen sind ein Dutzend Kirchenbanken, die als „eG“ organisiert sind, sowie die wohl bekannteste Alternative unter den Genossenschaftsbanken, die GLS Bank. Sie übernahm vor einem Jahrzehnt die legendäre Ökobank, die einst aus der Friedensbewegung hervorgegangen war.