: Radikale Unternehmer
Gewerkschaft ver.di beklagt massive Angriffe auf Betriebsräte und Tarifgefüge. Firmenleitungen verletzten „immer hemmungsloser“ tarifliche und rechtliche Standards
Ein Teil der Hamburger Unternehmen geht zunehmend brutal mit seinen Mitarbeitern um. Das beklagt der Landesbezirksvorstand der Gewerkschaft ver.di und verweist auf mehrere Beispiele in der Stadt. „Wir stellen immer häufiger fest, dass sich ein Teil der Unternehmerschaft radikalisiert und hemmungslos Betriebsräte wie tarifliche und arbeitsrechtliche Standards angreift“, warnte gestern Landesvize Ulrich Meinecke. „Das nimmt flächendeckende Züge an.“
So erfahre ver.di immer häufiger von Fällen, in denen am Betriebsrat vorbei längere Arbeitszeit ohne Lohnausgleich durchgesetzt wird, etwa durch „Einschüchterung“ der Mitarbeiter und Kündigungsdrohung. Zugleich ließen immer mehr Chefs unter den Beschäftigten „systematisch Stimmung“ machen gegen Betriebsratswahlen, so dass diese scheiterten. In den USA gebe es für diese „Anti-Gewerkschaftskampagnen schon ganze Branchen“, so Meinecke, „das ist eine neue Art der Gegenwehr“.
Als Beispiel für die „neue Hemmungslosigkeit“ führte ver.di-Fachbereichsleiter Peter Bremme unter anderem das Hamburger Reiseunternehmen Öger Tours an. Öger habe einen Betriebsrat verhindert, indem die Mitarbeiter in Einzelgesprächen „bearbeitet wurden“, so Bremme. Die Leitung habe klargestellt, dass ein Rat „einen Vertrauensbruch mit der Kultur eines Familienbetriebes bedeutet“. Zugleich habe die Firma des SPD-Europaabgeordneten Vural Öger gedroht, die Reisevergünstigungen für Mitarbeiter zu streichen. Solche Einschüchterung „hat in keiner Form stattgefunden“, wies Öger Tours die Anwürfe zurück. Eine Abstimmung habe ergeben, dass 98 Prozent der Mitarbeiter „einen Betriebsrat nicht befürworten“. An seiner Stelle installierte die Leitung eine Mitarbeitervertretung – die laut ver.di aber faktisch rechtlos ist.
Den bisher „krassesten Fall“ macht ver.di in Eidelstedt aus. Im dortigen „E-Center Hanse“ würde der Arbeitgeber Edeka Nord „systematisch“ den Betriebsrat mit Kündigungen und „ehrabschneidenden Publikationen“ angreifen. Streitpunkt ist die Kündigung von 32 der 120 Mitarbeiter. Gegen den Betriebsrat setzte die Leitung auch die 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich durch. „Wir müssen die Wirtschaftlichkeit wieder herstellen“, so Geschäftsführer Dieter Polky. Ansonsten „sagen wir dazu nichts“. Eva Weikert