: Unangenehme Konsequenzen für Nationalisten
Nach dem Boykott einer Vereidigung durch bosnische Serben werden Forderungen nach bosnischer Berufsarmee laut
SARAJEVO taz ■ In scharfer Form haben die internationale Gemeinschaft und Politiker aus nichtserbischen Volksgruppen auf Vorfälle bei der Vereidigung serbisch-bosnischer Soldaten reagiert. Am 16. April hatten Hunderte von serbisch-bosnischen Wehrpflichtigen den Eid auf den Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina verweigert, indem sie beim Abspielen der gemeinsamen Nationalhymne pfiffen und lediglich einen Eid auf die Verteidigung des serbischen Teilstaates in Bosnien und Herzegowina, die Republika Srpska (RS), ablegen wollten.
Gemeinsam verurteilten das EU-Präsidium, die US-Botschaft, die Nato und das Büro des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft (OHR) die Vorfälle. Die RS müsse begreifen, so heißt es in dem veröffentlichten Text, dass sie eine Entität und kein Staat sei. Sie könne nur innerhalb Bosnien und Herzegowinas, und zwar als ein Teil dieses Staates existieren. Solche Ereignisse würden von denjenigen organisiert, die nach wie vor die Vergangenheit nicht überwunden hätten, heißt es im Text weiter. Der Vorgang habe negative Auswirkungen auf das Image Bosniens in der Welt.
Der Kommandierende der Nato in Bosnien und Herzegowina, General Shook, forderte gestern sogar die Wiederholung der Vereidigung. Und der Stellvertreter des Hohen Repräsentanten, Werner Wnendt, erklärte gegenüber der taz, es gebe jetzt die Notwendigkeit, verstärkt auf eine Berufsarmee für ganz Bosnien und Herzegowina hinzuarbeiten. Damit verlören die Nationalisten ihre Machtbasis.
Die serbisch-bosnische Führung sieht sich unter starken Druck gesetzt. Auch aus der eigenen Bevölkerung. Schon im Vorfeld der Vereidigung hatte die in nationalistischen Kreisen einflussreiche Vereinigung der Kriegsveteranen die Aktion angekündigt. Zudem unterstützte die Basis der ehemaligen Partei des gesuchten und immer noch flüchtigen mutmaßlichen Kriegsverbrechers Radovan Karadžić, die Serbisch-Demokratischen Partei (SDS), die Aktion. Und das, obwohl die SDS die Koalitionsregierung der serbischen Teilrepublik anführt.
Neu aber ist, dass serbisch-bosnische Oppositionspolitiker die Organisatoren der Proteste öffentlich fragten, welche Alternativen sie zur Politik der Integration Bosnien und Herzegowinas in die Nato und die EU anzubieten hätten. So steckt die Regierung der RS in einer Zwickmühle: einerseits sich mit der eigenen Basis und den Veteranen gutzustellen, andererseits den Forderungen der internationalen Gemeinschaft entgegenzukommen, so sie nicht als Blockierer dastehen will, die den Prozess der Annäherung an die EU und die Nato behindert.
Denn seit dem letzten Jahr hat ein politischer Prozess eingesetzt, der Bosnien auf die Mitgliedschaft in beiden Organisationen vorbereiten soll. Mit der Polizei-Verteidigungsreform sollen die drei bisher existierenden Polizeien und Armeen der Volksgruppen zu einer verschmelzen. Schon jetzt gibt es ein gemeinsames Oberkommando und ein Verteidigungsministerium auf der gesamtstaatlichen Ebene.
Der Eid der Rekruten auf die Fahne des Gesamtstaates hat somit also eine Bedeutung, die weit über das Symbolische hinausgeht. Wenn die Reform wie geplant weiterginge, könnte Bosnien und Herzegowina schon bald mit ernsthaften Gesprächen über den Beginn des Beitrittsprozesses in die Nato rechnen. Schon jetzt gibt es eine bosnische Einheit im Irak, die mit der Entminung beauftragt ist.
Der Vorsitzende des Ministerrates des Gesamtstaates, Adnan Terzić, zeigte sich deshalb auch sehr erbost. „Solche Vorfällen müssen unterbunden werden, damit wir uns nicht immer wieder mit nebensächlichen Dingen befassen müssen. Ich erwarte, dass der Verteidigungsminister Nikola Radovanović eine Untersuchung einleiten wird, damit festgestellt wird, wer für die Vorfälle verantwortlich ist.“
ERICH RATHFELDER
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