: Italien: Schlagabtausch im „Irrenhaus“
Statt zurückzutreten will sich Italiens Premier einer Vertrauensabstimmung stellen. Wie die ausgeht, ist völlig offen
ROM taz ■ Der Showdown in der Rechtskoalition unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi geht weiter. Nachdem sich noch am Montagnachmittag eine Lösung des koalitionsinternen Konfliktes abgezeichnet hatte, war es der Regierungschef selbst, der den gerade von ihm ausgehandelten Kompromiss über den Haufen warf. In den Krisengesprächen ging es um die Rückkehr der christdemokratischen UDC ins Kabinett. Am vergangenen Freitag waren die vier UDC-Minister zurückgetreten, da der Regierungschef ihrer Forderung nach Bildung einer neuen Regierung mit neuem Programm nicht nachgekommen war.
Am Montag zeigte sich Berlusconi kompromissbereit. Nach einem Koalitionsgipfel verkündete Gianfranco Fini, Außenminister und Chef der postfaschistischen Alleanza Nazionale (AN), einem „Neustart der Regierung“ stehe nach dem gerade ausgehandelten Rücktritt Berlusconis nichts mehr im Wege. Wieder unter Berlusconi solle auch ein neues Programm ausgehandelt werden. Marco Follini, Chef der UDC, erklärte großmütig, das sei „kein Sieg seiner Partei“, sondern der gesamten Koalition.
Berlusconi sah das offenbar anders. Als er am Montagabend von seinem Treffen mit Staatschef Carlo Azeglio Ciampi zurückkehrte, erklärte er grinsend, er sei nicht zurückgetreten. Statt Krise und Regierungsneubildung wolle er ein Vertrauensvotum des Parlaments. Berlusconi stellt damit das Ansinnen an seine Koalitionspartner, ihn erst einmal bedingungslos zu unterstützen. Nur im Nachgang wäre er zu Verhandlungen über eine Kabinettsumbildung bereit.
Mit diesem Coup hat Berlusconi aber zunächst einmal seine Koalitionspartner gedemütigt. Das gespannte Verhältnis zu Follini und auch zu AN-Chef Fini darf jetzt als heillos zerrüttet gelten. Welches Klima im Rechts-„Bündnis“ herrscht, zeigt die Äußerung von Francesco Storace, abgewählter Präsident der Region Latium aus den Reihen der AN. Er wolle Gesundheitsminister werden, „um die Psychiatrie zu reformieren und dann Berlusconi zu behandeln“, sagte er.
In dieser Koalition, die sich selbst als Irrenhaus definiert, scheinen deshalb alle Szenarien möglich, wenn sich Berlusconi am Donnerstag dem Vertrauensvotum stellt: von einem „Si“ für den Premier bis zu seinem Scheitern mit der Perspektive sofortiger Neuwahlen. MICHAEL BRAUN
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