„Diese Jobs gibt’s nicht mehr“

MIGRATION Arbeiten für Deutschland – vom Gastarbeiter zur „verlorenen“ 3. Generation

■ 74, lange Jahre Arbeiter und Betriebsrat auf der Hütte, befasst sich noch heute mit der Geschichte der Bremer Stahlwerke.

taz: Herr Hemmer, Gastarbeiter, verlorene Generation – worum geht es heute Abend?

Eike Hemmer: Der Film entstand 1990. Ich war damals Betriebsrat auf der Hütte. Wir hatten viele Kollegen aus der Türkei. Damals hat die Rationalisierung in der Stahlindustrie dazu geführt, dass die Arbeitsplätze wegfielen, für die die türkischen Kollegen nach dem Mauerbau seit 1961 geholt worden waren.

Inwiefern?

Sie wurden ersetzt durch Maschinen oder ausgegliedert an Fremdfirmen. Das Angebot an solchen Arbeitsplätzen wurde also knapper. Die neue, zweite Generation wollte sich zudem nicht mehr zufrieden mit der oft gefährlichen, dreckigen Arbeit. Sie wollten eine Ausbildung.

Das ist die verlorene dritte Generation?

Nein, die nicht. Inzwischen gibt es viele Stellen im Betrieb, die von qualifizierten Menschen der ‚zweiten Generation‘ besetzt sind. Es gibt auch türkische Ausbilder. Bei so einem internationalen Konzern wie Arcelor-Mittal gibt es im Grunde keine Ausländer. Da sind alle Ausländer.

Was bedeutet dann ‚verlorene dritte Generation‘?

Wer glaubt, dass dieser Aufstiegsprozess bei der dritten Generation so weitergeht, der irrt eben. Nicht alle junge Menschen aus den Einwandererfamilien schaffen die Schule so gut. Die kommen dann oft gar nicht mehr in die Arbeit hinein, weil es diese Jobs nicht mehr gibt. Es soll morgen nicht nur um den schönen alten Film und Nostalgie gehen, sondern auch um dieses Problem. Interview: kawe

„Arbeiten für Deutschland – ein Stahlwerk und seine Ausländer“, Dokumentarfilm von 1989, anschließend Diskussion: 19 Uhr, Torhaus Nord, Liegnitzstr. 63