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Archiv-Artikel

Nicht nach Drehbuch

Der FC Schalke 04 steht nach einer dramatischen Vorschlussrundenbegegnung gegen Werder Bremen im DFB-Pokalfinale und darf sich bei seinem entschlossenen Torwart Frank Rost bedanken

AUS GELSENKIRCHENFRANK KETTERER

Das Drehbuch war bereits geschrieben für den Mann, den sie auf Schalke liebevoll den Dicken nennen, und es war angelegt als großer Film – natürlich mit glücklichem Ende für den FC Schalke 04. Der Dicke, der in seiner Freizeit bisweilen ein wilder Rodeoreiter ist, würde sich also den Ball zurechtlegen zum letzten Elfmeter, er würde ein paar Schritte zurücktippeln, mit ein paar schnellen Schritten anlaufen, schießen – und das große Duell um knapp vor Mitternacht für sich entscheiden – und natürlich für Schalke. So hatte es das Drehbuch vorgesehen. Doch dann kam Ailton und verschoss den Elfer, der der letzte und entscheidende hätte sein können in diesem Pokalfight – und das Nervenspiel ging mehr oder weniger wieder von vorne los.

Lange freilich währte das Halbfinale zwischen den Königsblauen und den Noch-Meistern aus Bremen dann nicht mehr, und dass am Ende Rudi Assauer, der Schalker Manager, gedankenversunken über den Rasen in der Arena AufSchalke schlenderte, an einem seiner Stumpen zog und dabei weißer Rauch aufstieg, war zumindest für die Schalker Fans ein Zeichen, dass auch diese Partie einen Sieger gefunden hatte – aus ihrer Sicht sogar den richtigen. 7:6 stand es ganz am Ende nach jeweils sieben Schüssen vom Elfmeterpunkt für die Knappen, nach dem die Verlängerung der Partie mit 2:2 beendet worden war. Feiern konnten die Schalker anschließend nicht nur die Ende Mai anstehende Fahrt nach Berlin, sondern durchaus auch den Umstand, doch noch einen Helden des Abends gefunden zu haben: Zunächst parierte Torhüter Frank Rost drei Elfmeter, dann schritt er selbst zur finalen Exekution. Dass er dafür gar nicht vorgesehen war, sondern seinem bereits bereit stehenden Kollegen Mike Hanke den Ball wegnehmen musste, war letztendlich nur eine Randnotiz. „In so einer Situation musst du als Mannschaftskapitän auch mal hingehen – und keinen 21-Jährigen schicken“, begründete Rost sein Tun.

Es war der würdige Abschluss einer Partie, die im Vorfeld durchaus zu etwas mehr hochgejazzt worden als „nur“ zu einem „einfachen“ Pokal-Halbfinale. Das Thema Meisterschaft dürfte für beide Teams durch sein, doch selbst die Teilnahme an der Champions League ist noch längst nicht in trockenen Tüchern. Entsprechend wurde dem Pokalspiel Trendsetter-Funktion zugesprochen – und entsprechend beurteilten die beiden Parteien auch das Ergebnis: Während Schalke-Trainer Ralf Rangnick den Wunsch äußerte, der Dienstag möge nach drei Niederlagen in den letzten vier Bundesligaspielen eine „Kehrtwende“ einleiten, konnte Werder-Sportdirektor Klaus Allofs nicht mehr als hoffen, „dass das Spiel uns keinen Knacks gibt“.

Von immenser Wichtigkeit wäre solcherlei für die Bremer allemal. Nach dem Gewinn des Doubles im Vorjahr laufen sie derzeit Gefahr, am Ende mit leeren Händen dazustehen, sprich: ohne internationale Betätigung in der nächsten Saison. Gut für die Entwicklung dürfte das kaum sein – schon weil nicht anzunehmen ist, dass Leistungsträger wie Spielmacher Johan Micoud oder Abwehrchef Valérien Ismael bei Werder bleiben, um dann nur in der Bundesliga zu spielen. Dass selbst ein Spieler wie Ludovic Magnin nächste Saison lieber für den VfB Stuttgart die Stiefel schnürt, weil er dort „bessere Perspektiven“ sieht, dürfte bei Werder durchaus ein kleines Alarmglöckchen läuten lassen.

Verrückt machen lassen sich Trainer Thomas Schaaf und Allofs davon freilich nicht, schließlich haben sie es in den letzten Jahren noch immer hingekriegt, aus relativ wenig ziemlich viel zu machen. Auch am Dienstag im Pokal war Werder nicht die wirklich schlechtere Mannschaft, sondern zeigte bisweilen gar die reifere Spielanlage. „In dieser Saison stehen wir zu oft nicht mit dem richtigen Ergebnis da“, brachte der Trainer das in typischer Schaaf-Manier auf den traurigen Punkt. Was auch damit zu tun haben könnte, dass der, der das nach wie vor gefällige und wohlgeordnete Spiel der Bremer im letzten Jahr mit all seinen Toren zur Vollendung gebracht und dadurch maßgeblich für den Bremer Höhenflug gesorgt hat, in diesem nicht mehr da ist. Auch am Pokalaus von Werder hat der Dicke übrigens seinen Anteil: Denn auch wenn er beim Elfmeterschießen versagt hat, das 2:2 für Schalke nach 95 Minuten hatte kein anderer besorgt als: Ailton.