: Der ambitionierte Politikhasser
Nach nur acht Monaten hatte ein sächsischer CDU-Abgeordneter genug: Wolfram Köhler verlässt den Landtag
Griesgrämig muffelte er in den letzten Monaten umher. Im Dresdner Landtag hörte und sah man nichts von ihm. Der mit den hängenden Mundwinkeln, das sollte „Mr. Riesa“ sein? Wolfram Köhler, der Macher, der Allesbeweger, der Vater der Leipziger Olympiabewerbung, der Prototyp des Allzeitoptimisten.
Jetzt hat er nach acht Monaten sein Landtagsmandat in Sachsen aufgegeben. Der 37-Jährige gab sich enttäuscht, weil er angeblich „nichts bewegen könne“ und weil alles so langwierig und zwecklos sei im Parlament. In seinem Abschiedsbrief hieß es: Er habe sich wie auf einer „Auswechselbank“ gefühlt – „mit dem Ziel, nicht eingewechselt zu werden“. Dabei hatte sich Köhler handstreichartig für den Landtag nominieren lassen. In Riesa gelang es ihm, das Direktmandat gegen den hoch angesehenen ehemaligen sächsischen Ausländerbeauftragten Heiner Sandig zu erobern.
Plötzliche Abgänge aus politischen Ämtern sind nichts Neues in Köhlers Karriere – sie verlief turbulent. 2001 zum Oberbürgermeister von Riesa gewählt, wurde er im Frühjahr 2003 zum sächsischen Olympia-Staatssekretär Doch dieses Amt verlor der CDU-Politiker schon nach einem halben Jahr. Der Vorwurf der Untreue stand im Raum; aus zweifelhaften Verträgen mit kommunalen Gesellschaften waren ebenso zweifelhafte Provisionen an Köhlers Freundin geflossen.
So hatte Köhler Zeit, seine Memoiren mit bereits 36 Jahren zu verfassen. Wie er die ehemalige Stahl- und Spaghetti-Stadt Riesa an der Elbe emporriss, erst als Kultur- und dann als Oberbürgermeister. Vor allem dank Sumo, Muhammad Ali und Bobpilot Harald Czudaj, denn auf die Events kommt es an.
Diese Lust am Auftritt zeigte sich auch Anfang März, als er sein Buch präsentierte, das schlicht „Mr. Riesa“ heißt. Da war Köhlers Frust vorübergehend verflogen, als er mit dem Mikro auf die Bühne sprang und sang wie einst. Denn in den 80ern hatte sich Köhler als Liedermacher betätigt und musste die DDR verlassen. Im Westen fiel seine Gruppe „Eiswolf“ dann durch stramm-vaterländische Texte auf. Nach seiner Rückkehr in die alte Heimat landete Köhler 1990 passend zunächst bei der DSU.
Wenn er jetzt nicht mehr „Komparse“ im „Staatsschauspiel“ sein will, so doch weiterhin Theater- oder Zirkusdirektor. Als Manager für die Eisprinzessin Kati Witt oder den Boxer Axel Schulz zum Beispiel. „Ich hatte immer den Eindruck, dass ihn anderes mehr interessiert“, kommentierte der sächsische CDU-Fraktionsvorsitzende Fritz Hähle den Abgang von Köhler.
Nicht auszuschließen ist auch, dass Köhler demnächst wieder einen Oberbürgermeisterposten anstrebt – diesmal in Dresden. Denn der jetzige Amtsinhaber könnte möglicherweise zurücktreten, weil auch er in Affären verstrickt ist. Eine Spätfolge der Flutkatastrophe. Nach seinen Ambitionen befragt, orakelte jedenfalls der vorläufig so Politikverdrossene: „Ein Wolfram Köhler sagt niemals nie.“
MICHAEL BARTSCH