VIELE POTENZIELLE EIN-EURO-JOBS GEFÄHRDEN REGULÄRE ERWERBSTÄTIGE
: Arbeitslose sind da, aber die Arbeit fehlt

Jobs sind da, massenhaft – wir müssen sie nur entdecken. Diese These von der „verborgenen Arbeit“ hat nun eine weitere Variante hervorgebracht: Die Bundesregierung will Sonderjobs für ältere Langzeitarbeitslose einrichten. Es wären vor allem Ein-Euro-Jobs der Extraklasse, denn sie dürften drei Jahre laufen. Auch der Zuverdienst wäre besser und könnte bis zu 500 Euro monatlich betragen.

Die Bundesregierung scheint sich vorzustellen, dass man die Zusatzjobs nur häufig genug ankündigen und modifizieren muss, damit sie schließlich entstehen. Und viele Bürger geben ihr instinktiv Recht: Existiert nicht so viel unerledigte Arbeit in Deutschland? All der Müll auf der Straße – der könnte mal gefegt werden. Die Hochbetagten würden sich auch freuen, wenn endlich jemand mit ihnen spazieren ginge. Oder ganz revolutionär: Könnten die Steuerzahler nicht direkt davon profitieren, dass sie die Langzeitarbeitslosen mit dem Sozialhilfesatz ausstatten? Warum also sollten Erwerbslose nicht verdonnert werden, fünf bis sechs Stunden wöchentlich bei den Leistungsträgern dieser Gesellschaft zu putzen?

Doch, merkwürdig, so wacker sich die These von der „verborgenen Arbeit“ hält, die Realität sieht erschütternd anders aus. 600.000 Ein-Euro-Jobs wollte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement einst für die Langzeitarbeitslosen schaffen, doch seit Januar sind kaum 50.000 entstanden. Die geplante Initiative für die älteren Erwerbslosen dürfte genauso erfolglos sein. Denn sobald es konkret wird, stellt sich stets schnell heraus, dass die Gefahr groß ist, dass reguläre Jobs verdrängt werden.

Es gibt kaum noch „verborgene Arbeit“ – sind doch die Deutschen schon seit Jahrzehnten damit beschäftigt, alle Tätigkeiten zu kommerzialisieren. Bei Pflege, Putzen oder Kinderbetreuung ist dies evident. Früher unbezahlte Hausfrauentätigkeit, heute Job. Aber so neumodische Begriffe wie „Körperarbeit“ machen klar, dass auch die Freizeit längst zur Wirtschaftszone geworden ist. Wer früher nur spazieren ging, sponsert heute ein Fitnessstudio. Doch wo schon alles Arbeit ist, kann sich keine Zusatzarbeit mehr verbergen. Das wird auch die Bundesregierung wieder und wieder enttäuscht feststellen müssen. ULRIKE HERRMANN