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Archiv-Artikel

Der gute Mensch aus Berlin

Fischer im Dienst (4): Der Außenminister ist mittlerweile ein gern gesehener Gast bei Israelis wie bei Palästinensern. Zu einer ernsthaften Vermittlerrolle fand er nicht

Nur ein gemeinsames Vorgehen von USA und Europa kann dem Friedensprozess Schwung geben

Joschka Fischer ist ein in Nahost oft und gern gesehener Gast. Bei den Israelis genießt er hohes Ansehen und gilt als guter und verlässlicher Freund. Auch Jassir Arafat schätzte ihn sehr. In Deutschland erreichten seine regelmäßigen Nahostauftritte, wechselweise in Jerusalem und Ramallah, größte publizistische Aufmerksamkeit. Dabei erweckte er, talentiert und optimal inszeniert, den Eindruck, dass er für eine Seite nicht zu viel und für die Gegenseite nicht zu wenig Zeit hatte.

Die Fernsehspots von dem händeschüttelnden Außenminister verschafften Verschnauf- und Erholungspausen von den allabendlichen Bildern von Gewalt und Gegengewalt in Israel und den palästinensischen Gebieten. Weder reihte er sich in die Schlange der Arafat-Hofschranzen ein, noch trat er im Scharon-Office als besserwisserischer Zampano auf. Stattdessen schlüpft er genüsslich in eine Art Dalai-Lama-Rolle. Jedenfalls sollte immer ein guter Mensch ankommen, der niemandem wehtut und den Anschein mehrt, er könne Unvereinbares miteinander verbinden.

Joschka Fischer spielt diese seine Rolle geradezu meisterhaft. In der Warteschleife der ständigen Nahostbesucher fiel er unter den allzu hölzernen, nichts sagenden europäischen Staatsmännern, den allzeit netten EU-Außenbeauftragten Javier Solana eingeschlossen, wohltuend auf. Joschka Fischer war der Richtige in den Tagen allgegenwärtiger Gewalt, ein Mann mit einem gewissen Unterhaltungswert im politischen Alltagsgrau. Diese Beurteilung hat allerdings viel mit atmosphärischen Bedürfnissen, aber wenig mit politischer Effizienz zu tun.

Denn die eigentlichen Fragen lauten: Hat seine Nahostpolitik Erfolge zu verzeichnen? Gab es eine deutsche Nahostpolitik unter dem im israelisch-palästinensischen Konflikt so enthaltsamen Gerhard Schröder? Der äußere Eindruck spricht dafür. Wer in faktischen Kriegszeiten auf beiden Seiten willkommen ist, muss etwas zu bieten haben. Zudem ist ihm zugute zu halten, der besonderen Verantwortung Deutschlands für Israel in der Bundesrepublik wirksam Öffentlichkeit verschafft zu haben. Bei näherem Hinsehen wird man in seiner Nahostpolitik allerdings wenig Substanzielles entdecken können.

Joschka Fischer wendete sich während des ersten Golfkrieges und nach dem skandalösen Auftritt seines Parteifreundes Hans-Christian Ströbele, der die irakischen Raketenangriffe auf Israel als „logische Konsequenz israelischer Politik“ bezeichnet hatte, ostentativ den Israelfreunden zu. Während der Mitarbeit in der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe verfestigte sich seine Haltung gegenüber Israel, die seine Amtszeit als Außenminister bis heute prägt. Jedenfalls fand sich nach der CDU-Politikerin Rita Süssmuth kein anderer deutscher Politiker so perfekt auf dem glatten israelischen Parkett zurecht wie dieser deutsche Außenminister. Er gefiel sich in ständigen Retrospektiven, keine Rede ohne persönliche Betroffenheit. Der Blick nach vorn geriet dabei allerdings oftmals etwas kurz.

Selbst seine Techtelmechtel mit Jassir Arafat taten seinem Ansehen in Israel keinen Abbruch. Arafat fühlte sich zu Recht vom deutschen Außenminister in seiner Isolation in der Mukata aufgewertet und gestärkt, nicht zuletzt, wenn ein Arafat-Besuch Fischers zu deutschen Sonderleistungen an die Palästinensische Autonomiebehörde führte. So gewährte die deutsche Regierung pro Haushaltsjahr zusätzliche 37 Millionen aus dem deutschen Budget, als europäische Zahlungen und deren begrenzte Kontrolle bereits öffentlich stark kritisiert wurden.

Doch konnten die Deutschen seit Jahrzehnten so viel Vertrauen in Israel aufbauen, dass der israelische Staatspräsident Mosche Katzav kürzlich unwidersprochen erklären konnte, Deutschland sei in der internationalen Staatenwelt „ein wahrer Freund Israels“. Auch in der arabischen Welt, auch bei den Palästinensern, genießt Deutschland ein traditionell hohes Vertrauen. Trotzdem hat Joschka Fischer zu keiner Zeit eine ernst zu nehmende Vermittlerrolle zwischen Israelis und Palästinensern übernommen.

Jeder Versuch dieser Art musste scheitern, weil Amerikaner und Europäer einen solchen Alleingang der Deutschen nicht zugelassen hätten. Schon der Anschein eines deutschen Sonderwegs konnte nur zu unnötigen neuen Spannungen mit den erfahrenen Vermittlern in Nahost, den Vereinigten Staaten, führen und erhebliche Verwerfungen in dem auch von Eifersüchteleien geprägten europäischen Umfeld produzieren. Viele Versuche mussten daher ins Leere laufen.

Denn das Dilemma mangelnder Vermittlungsfähigkeit der westlichen Welt in dieser so sensiblen Nahostregion bestand und besteht ja nicht im Mangel an Vermittlungsangeboten, sondern in mangelnder Abstimmung und Einheitlichkeit in der Nahostpolitik der Europäischen Union und in den Differenzen zwischen der EU und den USA. Egoismus und nationale Interessen haben den Einfluss auf die so notwendige Friedenslösung eher minimiert. Durchaus drastisch, deswegen aber nicht falsch beschrieb ein hoher Israeli das uneinheitliche Vorgehen der transatlantischen Allianz so: „Die USA haben Arafat boykottiert, und die Europäer haben ihn finanziert. Wie sollte dies zu einer Einigung der Streitparteien beitragen?“

Selbst seine Techtelmechtel mit Jassir Arafat taten seinem Ansehen in Israel keinen Abbruch

Nicht isolierte fernsehwirksame Auftritte in Nahost verhelfen dem derzeitigen politischen Frühling zwischen Israelis und Palästinensern, der äußerst labil und zerbrechlich ist, zum Durchbruch. Nur ein gemeinsames Vorgehen von Amerikanern und Europäern kann den noch schwachen Friedensbemühungen Schwung verleihen. Und hier liegen auch die Defizite des Außenministers.

In der EU schloss sich der Israelfreund kampflos der propalästinensischen Politik Frankreichs an. Deshalb stimmte Deutschland am 21. Juli 2004 erstmals in der UN-Vollversammlung einer antiisraelischen Resolution zu. Zugleich hat Fischer damit dazu beigetragen, Gräben zwischen der EU und den USA auf dem Feld der Nahostpolitik weiter zu vertiefen. In Jerusalem pro Israel, in Ramallah pro Palästinenser und in Europa pro Frankreich und gegen die USA. Eine strategische deutsche Politik müsste anders aussehen.

Für Joschka Fischer gibt es daher vieles zu tun. Deutschland sollte Vorreiter in der Europäischen Union sein, wenn es um die Entwicklung einer schlüssigen, abgestimmten Nahostpolitik geht. Wer einmal europäischer Außenminister werden will, sollte Europa zu einer einheitlichen Stimme in Nahost verhelfen können. Und diese europäische Politik sollte den engen Schulterschluss mit den Vereinigten Staaten suchen. Würden Europäer und Amerikaner, durchaus auf getrennten Wegen, aber letztlich gemeinsam in die gleiche Richtung arbeiten, wäre viel für den Frieden in Nahost gewonnen. Vielleicht kann ja heute für morgen nachgeholt werden, was gestern versäumt wurde. JOHANNES GERSTER