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Archiv-Artikel

Heilmann will Handy-Dickicht lichten

Funkzellenabfrage Der CDU-Justizsenator will mehr Klarheit in der Datensammel-Affäre: Der Rechtsausschuss des Parlaments soll eine Anhörung anberaumen. Linke-Chef Klaus Lederer spricht von „Handy-Rasterfahndung“

„Wir sollte die Fragen gründlich und ganzheitlich untersuchen“

Senator Thomas Heilmann (CDU)

VON PLUTONIA PLARRE

Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) will Klarheit in die Affäre um Funkzellenabfragen der Polizei bringen. Das Thema sei „wichtig“, so Heilmann gegenüber der taz. Er habe den rechtspolitischen Sprechern der Fraktionen im Abgeordnetenhaus deshalb eine Expertenanhörung im Rechtsausschuss vorgeschlagen. Der Senator reagierte damit auf eine Forderung der Piratenfraktion. Deren innenpolitischer Sprecher, Christopher Lauer, hatte unter anderem im taz-Interview von Heilmann gefordert, die sogenannte nichtindividualisierte Funkzellenabfrage in Verbindung mit Autobrandstiftungen zu unterbinden. Erreichen könne das der Senator über eine Direktive an den Generalstaatsanwalt.

Auf eine inhaltliche Position hat sich Heilmann noch nicht festgelegt. Es sei keine Gefahr im Verzug, „sodass wir die Fragen zunächst gründlich und ganzheitlich untersuchen sollten“, teilte er mit. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der polizeiliche Staatsschutz seit 2008 mittels Funkzellenabfragen 4,2 Millionen Handyverbindungsdaten bei Providern angefordert hat. Eigenen Angaben zufolge veranlasste die Polizei die Abfragen, um Autobrandstifter dingfest zu machen. Die über vier Jahre angewandte Praxis brachte keinen einzigen Ermittlungserfolg.

Ins Bild gesetzt hat sich die Polizei allerdings über das Kommunikationsverhalten von vielen Tausenden Bürgern. Jede Telefonnummer, die in der Funkzelle zum Zeitpunkt der Abfrage aktiv war – durch Telefonate, SMS oder das Einwählen ins Internet – ist erfasst worden. Kein einziger der Betroffenen ist im Nachhinein davon informiert worden, obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben ist – auch jene 960 Personen nicht, bei denen die Polizei sogar die Bestandsdaten – Name und Anschrift – ermittelte. 1,7 Millionen Datensätze sind bis heute zudem nicht gelöscht worden.

Berlins Datenschutzbeauftragter Alexander Dix hat eine umfassende Überprüfung des Vorgehens von Polizei und Staatsanwaltschaft eingeleitet. „Wir wollen wissen, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten worden sind“, so Dix. Zur Vorbereitung der Prüfung habe er den Ermittlungsbehörden einen umfangreichen Fragenkatalog übersandt. Man habe um Stellungnahme bis 20. Februar gebeten, sagte Dix. Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte letzte Woche erklärt, dass er für umfangreiche Transparenz sorgen werde.

Funkzellenabfragen sind in der Strafprozessordung geregelt und an spezifische Voraussetzungen geknüpft. Vor jeder Abfrage müssen die Ermittlungsbehörden zudem einen Gerichtsbeschluss einholen. Das enthebe Polizei und Staatsanwaltschaft nicht davon, eine Abwägung vorzunehmen, so Dix. Die Rechte Dritter würden schließlich immer beeinträchtigt. „Die Polizei muss abwägen: Ist die Chance, auf diese Weise Verdächtige zu finden, so groß, dass man die Eingriffe in die Rechte Unverdächtiger in Kauf nehmen kann?“

Dem rechtspolitischen Sprecher der Linkspartei, Klaus Lederer, ist Heilmanns Vorschlag neu. Bei ihm sei kein Brief angekommen, so Lederer am Dienstag zur taz. Die Tagesordnung für den Rechtsausschuss mache im Übrigen nicht der Justizsenator. Man könne über eine Expertenanhörung reden, sagte Lederer, der Sachverhalt sei für die Linkspartei aber auch so schon klar: „Die Handyrasterfahndung ist ein Überwachungsskandal und gehört abgeschafft.“