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Archiv-Artikel

Bezirksamtsleiter unter Druck

FALL CHANTAL CDU fordert Disziplinarverfahren gegen Markus Schreiber. Er habe seine Amtspflicht verletzt, weil er die Jugendamtsleiterin nicht freistellte

„Die Aufklärung dieses Todesfalls steht im Vordergrund“

CHRISTOPH HOLSTEIN, SPRECHER VON OLAF SCHOLZ

Der Druck auf Markus Schreiber wächst. Der Bezirk-Mitte-Chef habe sich mit seiner Aussage, er hätte seine Jugendamtsleiterin gerne schon 2009 entbunden, selbst belastet, heißt es aus einem Bezirksamt. Denn damit hätte er seine Amtspflicht verletzt. Die CDU fordert, SPD-Bürgermeister Olaf Scholz solle ein Disziplinarverfahren gegen Schreiber einleiten, oder ihn gar abberufen.

Schreiber hatte Jugendamtsleiterin Pia Wolters am Dienstag freigestellt und der Presse erklärt, er habe schon 2009 nach dem Tod des Babys Lara Mia versucht, sie anderweitig unterzubringen. Es habe sich jedoch keine „amtsangemessene Stelle“ gefunden. Die Sozialbehörde habe sie nicht nehmen wollen.

Der bezirkspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Dennis Gladiator, sieht hier ein „Organisationsverschulden“ Schreibers. „Er hätte nicht hinnehmen dürfen, dass eine seiner Auffassung ungeeignete Person das Jugendamt leitet.“ Dies könne sogar strafrechtliche Folgen haben.

Schreiber wäre verpflichtet gewesen, der Frau eine Aufsicht an die Seite zu stellen. Auch hätte er sie aus dienstlichen Gründen vorübergehend freistellen können. Ihre „Nichteignung“ hätte ein Disziplinarverfahren geklärt.

Außerdem sei es falsch gewesen, nur die Sozialbehörde nach einer Stelle zu fragen. Die Juristin wäre in der ganzen Verwaltung einsetzbar. Für diese Personalfrage zuständig wäre die Finanzbehörde oder das Personalamt.

Schreiber will sich bis zum Abschluss der Überprüfung des Falls Chantal durch die Innenrevision nicht äußern, erklärt eine Sprecherin. „2009 war es lange nicht so ein gravierendes Problem.“ Auch habe der Bezirk damals reagiert und beim Jugendamt Wilhelmsburg sechs neue Stellen und eine zweite Abteilungsleitung eingerichtet.

Olaf Scholz’ Sprecher Christoph Holstein gab auf die Frage, ob Scholz ein Disziplinarverfahren einleitet, nur eine knappe Erklärung ab: „Die Aufklärung dieses furchtbaren Todesfalls steht im Vordergrund. Alles andere kommt danach.“ Ein Eingreifen von Scholz scheint nicht wahrscheinlich. Er regiert mit nur zwei Stimmen Mehrheit, viele Abgeordnete kommen aus Mitte.

Auch der frühere SPD-Abgeordnete Thomas Böwer fordert Scholz zum Handeln auf. „Als Sozialdemokrat bestelle ich Führung. Als Bürger möchte ich gut regiert werden“, sagte der Vize-Präsident des deutschen Familienverbands. Wenn Hamburg die kinderfreundlichste Stadt werden soll, müssten alle eine Überlebenschance haben. Wenn sich herausstelle, dass Schreiber nicht in der Lage sei, das Jugendamt zu führen, dann müsse der Senat „entsprechend des Bezirksverwaltungsgesetzes handeln und die Verantwortung selber übernehmen“. KAIJA KUTTER