: Die zwei Leben des Carsten S.
RECHTER TERROR Erst war er NPD-Funktionär, dann arbeitete er in der Aidshilfe. Jetzt holt ihn die Vergangenheit ein
BERLIN taz | In Düsseldorf war Carsten S. ein angesehener Sozialpädagoge. Seit 2005 arbeitete der Neonaziaussteiger für die Aidshilfe, später zusätzlich als Honorarkraft im Team eines schwul-lesbischen Jugendzentrums. Nun hat den 31-Jährigen seine braune Vergangenheit eingeholt. Er sitzt in Untersuchungshaft, die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, den Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) vor rund zehn Jahren eine Waffe besorgt zu haben, und wertet das als Beihilfe zum Mord in mehreren Fällen – wobei aber unklar bleibt, was genau Carsten S. von dem Treiben des Trios wusste.
In seinem früheren Leben war Carsten S. Mitglied des Kameradschaftsbunds Thüringer Heimatschutz, wo auch die mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe mitmischten. Zudem war Carsten S. in den späten 90ern Funktionär der rechtsextremen NPD und deren Jugendorganisation JN. So war er nach Angaben des Thüringer Verfassungsschutzes von Juni 1999 an NPD-Kreischef in Jena, später wurde er zudem Vizechef des JN-Landesverbandes und soll diesen zeitweise auch im JN-Bundesvorstand vertreten haben.
Vom Jahr 2000 an löste Carsten S. sich aus der rechtsextremen Szene, spätestens mit seinem Umzug nach Nordrhein-Westfalen 2003 erfolgte dann der vollständige Bruch. Unklar bleibt, ob er Teil eines offiziellen Aussteigerprogramms war.
Für sein heutiges Umfeld in Düsseldorf kam die Verhaftung überraschend. Sie sei „aus allen Wolken gefallen“, sagt eine Arbeitskollegin. Carsten S. habe sie als „wirklich guten Mitarbeiter und tollen Menschen“ kennen gelernt. Anders als die meisten der im Zusammenhang mit dem NSU Beschuldigten kooperiert Carsten S. mit den Ermittlern. Er soll inzwischen umfassend ausgesagt haben. WOS, PAB
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