MAGERE JAHRE IN DER NISCHE – NOCH IST DIE KRISE NICHT VORBEI : Karstadt-Effekt bei der Autoindustrie
Bei Volkswagen steigt der Gewinn wieder, DaimlerChrysler erwartet Besserung spätestens ab 2006. Kommt nun für die deutsche Autoindustrie die Zeit des Aufatmens, nachdem das letzte Jahr von Arbeitskämpfen, Krisen und dem Beinahe-Zusammenbruch von Opel gekennzeichnet war?
Zu früh gefreut. Denn die besseren Geschäftszahlen sind vor allem das Ergebnis ebenjener Sparmaßnahmen und Kostensenkungen des vergangenen Jahres. In China und USA brummt der Markt zurzeit allenfalls für Luxusspielzeuge à la Porsche. VW und Daimler spüren hingegen die Folgen der hohen Energiepreise und des wachsenden Konkurrenzdrucks. Und im Inland halten sich die Käufer schon seit Jahren zurück.
Da geht es der Autobranche nicht anders als den meisten anderen Branchen. Wer Angst vor Arbeitslosigkeit und Altersarmut hat, hält sein Geld lieber zusammen und fährt sein altes Schätzchen lieber noch ein paar Jahre länger. Sparen, Lohnsenkungen und Produktionsverlagerungen ins Ausland verschaffen in einer solchen Lage zwar betriebswirtschaftlich Luft, verderben aber mittelfristig weiter das Konsumklima. Und langfristig kommt die Pkw-Maut. Die mageren Jahre allein mit weiteren Kostensenkungen durchzustehen, wie es der vorgezogene Antritt des als harten Sanierers bekannten Wolfgang Bernhard bei VW nahe legt, reicht nicht.
Denn der Markt wird sich verändern. Die Anfänge eines „Karstadt-Effekts“ wie im Einzelhandel sind bereits zu beobachten: Wachstum im unteren und im oberen Preissegment, aber Schrumpfung im Massengeschäft in der Mitte. Luxus und teure Geländewagen verkaufen sich, das Interesse an Billigautos von Renault und VW ist groß. Aber was ist etwa aus dem ursprünglichen „smart“-Konzept geworden, hinter dem ein ganzes Mobilitätssystem stand und nicht nur ein Lifestyle-Auto für die Stadt? An den Schnittstellen zwischen Individual- und öffentlichem Verkehr gibt es noch manche unentdeckte Geschäftsidee. Wohl kein Massenmarkt – doch gerade auch in kleinen Nischen lässt sich gutes Geld verdienen. STEPHAN KOSCH