: Die dunkle Kammer des Kapitalismus
GLOBALISIERUNGSGEWINNER Sie sind mächtig, aber kaum einer kennt ihre Machenschaften. Jetzt beleuchtet ein Buch die Rohstoffhändler der Schweiz
Man weiß, dass es Banken gibt in der Schweiz und dass das von ihnen gehütete Geheimnis so gut wie allen anderen Ländern Probleme bereitet, aber Steuerhinterziehern, Diktatoren und Schweizer Banken nützt. Aber wer weiß schon, dass der weltweit größte Rohstoffhändler seinen Sitz in der Kleinstadt Zug hat? Dass zwei Drittel des weltweiten Bedarfs an Gold über die Schweiz verschoben werden? Dass im Erdölhandel Genf ein wichtigerer Standort ist als London? Oder dass das Land die größte Drehscheibe für Getreide und Ölsaaten ist? Man weiß so gut wie nichts. Das Gewerbe der Rohstoffhändler ist noch undurchsichtiger als das der Banken.
Ein Buch bringt nun Licht in diese dunkle Kammer des Kapitalismus: „Rohstoff. Das gefährlichste Geschäft der Schweiz“, herausgegeben von der „Erklärung von Bern“, einer Lobbygruppe für eine gerechtere Weltordnung, die 1968 auf der Grundlage eines gleichnamigen Manifests entstanden ist.
Das ist keine leichte Arbeit: Außer dem Branchenprimus Glencore ist kaum eine Firma im Rohstoffhandel börsennotiert und also auch nicht zur Veröffentlichung eines Minimums von Zahlen verpflichtet. Jedes dieser Unternehmen gleicht einer Matroschka, jener russischen Puppe, die, wenn man sie öffnet, nur eine weitere Puppe enthüllt. Meist handelt es sich um unübersichtliche Konglomerate von Tochter- und Schwesterbetrieben, deren Existenz im Wesentlichen einem Ziel dient: Gewinne zu verschleiern und Steuern zu sparen.
Ebendeshalb ist die Schweiz ein beliebter Standort für Rohstoffhändler und ganz besonders Zug, wo die Steuersätze zu den niedrigsten zählen und Unternehmen zudem die Möglichkeit haben, mit dem Finanzamt ohne Steuererklärung pauschal noch niedrigere Zahlungen zu vereinbaren. Dass das Schweizer Gesetz gegen Geldwäsche auf Rohstoffhändler nicht angewendet wird, ist eine zusätzliche Attraktion.
Die Schweiz, sagen die Autoren, sei nicht nur ein Steuerparadies, sondern auch eine Regulierungs- und Transparenzoase. Und weil die Schweiz erst 2002 den Vereinten Nationen beitrat, fühlte sie sich vorher an UN-Embargos – etwa gegen Südafrika oder Rhodesien – nicht gebunden. Schweizer Rohstoffhändler nutzten dies schamlos zum schnellen wirtschaftlichen Aufstieg. Vom Schmiergeld, das der irakische Diktator Saddam Hussein für Öllieferungen im Zusammenhang mit dem humanitären UNO-Programm „Oil for food“ einsammelte, stammten mindestens 50 Millionen US-Dollar aus der Schweiz.
Die „Erklärung von Bern“ geht die Aufklärungsarbeit systematisch an: mit dem Blick aufs große Ganze (Wie funktioniert eigentlich der weltweite Rohstoffhandel?), mit kritischen Porträts einzelner Firmen (Weltmarktführer Glencore), mit Reportagen (über die unmenschlichen Bedingungen in der Kupfermine Mopani in Sambia, die von einem mit Glencore verbandelten Schweizer Minenkonzern ausgebeutet wird) bis hin zu detaillierten Skandalchroniken (über den tödlichen Giftmüllskandal im August 2006 in der Elfenbeinküste, verursacht vom Schweizer Ölhändler Trafigura).
Jedes Kapitel ist eine Geschichte für sich, jede erstaunlich verständlich und spannend geschrieben. Komplizierte Sachverhalte werden mit übersichtlichen Grafiken veranschaulicht.
„Nichts desinfiziert besser als das Sonnenlicht“, zitieren die Autoren den US-amerikanischen Bundesrichter Louis Brandeis, der vor hundert Jahren gegen Korruption und Bankenmacht ermittelte. Dieses Buch ist so ein Desinfektionsmittel. TONI KEPPELER
■ Erklärung von Bern (Hg.): „Rohstoff. Das gefährlichste Geschäft der Schweiz“. Salis Verlag, Zürich 2011, 440 S., 24,90 Euro