: Lärm und Dreck statt freier Sicht
Geplante Höhe und Ausdehnung eines neuen Bürogebäudes an der Kölner Gereonstraße verärgern Anwohner. Bemängelt wird vor allem die miese Informationspolitik der Stadt
Köln taz ■ Das große Haus steht leer. Nicht zu vermieten, die Büros sind nicht mehr modern, sagt der Besitzer. Also will er abreißen. Und den Neubau gleich sechs Stock höher bauen. Er weiß, dass das an dieser exponierten Stelle Proteste hervorrufen wird. Prompt meldet sich die Stadt. Der Besitzer lässt sich vier Etagen abhandeln, wenn er als Ausgleich eine benachbarte Straße bebauen darf. Es geht doch um Arbeitsplätze, sagt er. Da lässt sich die Stadt nicht lange bitten und stimmt dem Handel zu. Die Bürger werden später informiert.
So könnte es gelaufen sein. Sehr zum Ärger der Bürgerinnen und Bürger, die am Mittwoch Abend in das ehemalige Axa-Verwaltungsgebäude an der Gereonstraße gekommen sind. Verwaltung und Architekt Michael Zimmermann informieren über das, was künftig an eben dieser Stelle entstehen soll. Genau dieses Haus will die Axa-Versicherung abreißen und dann ein neues Bürogebäude bauen, von dem sie sich hohe Mieteinnahmen erhofft. Dessen geplante Höhe und die Bebauung der (halben) Cardinalstraße sind die Hauptkritikpunkte des Publikums.
Schon im Vorfeld hatte sich Generalvikar Dominik Schwaderlapp zu Wort gemeldet. Er beklagte, dass durch die geplanten acht Etagen, die das Haus auf eine Höhe von 30 statt jetzt 20 Metern mit sechs Etagen bringen, die Sicht auf die romanische Kirche St. Gereon beeinträchtigt werde. „Damit geraten die Türme und das weltberühmte Dekagon in arge Bedrängnis“, heißt es. Eine Meinung, der sich die meisten Anwesenden auf der Bürgerversammlung anschließen. Sie beklagen auch, die angestrebte Höhe widerspreche dem Höhenentwicklungskonzept, das derzeit diskutiert wird.
Was die Bebauung der Cardinalstraße betrifft, verweist Kölns Stadtplanungsdezernent Bernd Streitberger zwar darauf hin, dass der Verkauf der Straße erst vom Rat beschlossen werden müsse. Doch das sorgt nicht für Ruhe. „Welchen Nutzen hat die Stadt vom Verkauf?“, will ein Bürger wissen und gibt sich mit Streitbergers Antwort „Arbeitsplätze“ nicht zufrieden.
Denn die Bebauung des von der Gereonstraße abzweigenden Teils der Cardinalstraße hat Folgen für die Anwohner der Reststraße, die in die Mohrenstraße mündet. Sie würde zu einer Sackgasse mit einem Wendehammer, der auch für LKW befahrbar sein muss. Von hier aus soll das Bürohaus beliefert werden, hierher soll die Einfahrt in die Tiefgarage mit 260 Stellplätzen. Mit 600 bis 800 Verkehrsbewegungen täglich rechnet Streitberger für die bislang ruhige Nebenstraße. „Diese exorbitante Belastung ist sicher keine Verbesserung“, gibt er zu. Die Anwohner befürchten mehr Lärm, mehr Dreck und den Wegfall von Parkplätzen.
Auf wenig Gegenliebe stößt auch die Architektur. Der aktuelle Entwurf setzt auf eine einheitlich gerasterte Fassade mit viel Glas auf über 100 Metern Länge. Lediglich drei Eingangsbereiche akzentuieren die sechs Geschoss hohe Front, sie korrespondieren mit den Giebeln von drei aufgesetzten, zwei Geschoss hohen Querriegeln. Wenn der Rat den Bebauungsplan gebilligt habe, so Architekt Zimmermann, könne sofort mit Abriss und Bau begonnen werden. Bauzeit: zwei Jahre.
Bezirksvorsteher Andreas Hupke (Grüne) ist nicht grundsätzlich gegen einen Neubau, bemängelt aber die Informationspolitik der Stadt. Bei einem Verkauf der Cardinalstraße fordert er: „Da müsste viel Geld zur Verbesserung des Wohnumfelds fließen. Das sehe ich aber noch nicht.“ Bis zum 29. April können noch Einwendungen bei der Bezirksvertretung Innenstadt eingerecht werden. JÜRGEN SCHÖN