: Thomas Deecke geht
Vierzehn Jahre lang hat der Pioniertäter das Neue Museum Weserburg geleitet. Nun sucht er einen Nachfolger: Jung – und ohne große finanzielle Erwartungen
Ein Mann wie eine Türzarge, ebenso groß und mit einer ausladenden Gestik, die sich öffnet, um Überzeugungskraft in seine Worte zu pumpen. Ein Mann, der es gewohnt ist, in den kunstkompetenten Sammler-Kreisen der Immobilienmakler und Baukaufmänner, der Unternehmensberater und Bankdirektoren zu bewegen. Ein Mann, der auch findet, dass Kunst ruhig etwas kosten soll, und wenn man hat, dann findet man das auch. Und wer kein Brot hat, der soll eben Kuchen fressen.
So klang das vor gut fünfzehn Jahren, im März 1990, als die taz bremen zum ersten Mal intensiver auf Tuchfühlung mit Thomas Deecke ging. Das Neue Museum Weserburg war damals in der Planungsphase, eröffnet wurde es erst im September 1991. Deecke hatte rund vier Jahre an dem Museums-Konzept gefeilt, hatte es immer wieder vorgestellt und verteidigt und über den Stand der Planungen berichtet:
International renommierte Sammler sollten Werke aus ihren Sammlungen in der Weserburg zeigen, die Stadt sollte das Gebäude umbauen und danach lediglich die Betriebskosten für die Immobilie sowie die Personalkosten übernehmen. Deecke hatte ein europaweit neues Museumskonzept entwickelt – und der Spiegel ätzte: „Die Novität ist ein zur Pioniertat umgemünztes Armutszeugnis. Denn die Stadt richtet zwar das Gebäude her, ihm aber einen angemessenen Inhalt zu geben, das ginge über ihre Kräfte.“
Deeckes Konzept funktionierte trotzdem und nicht nur einmal betonte er, dass die Abstimmungen mit den privaten Sammlern wesentlich unkomplizierter seien, als viele vermutet hätten. Unerfreulich kompliziert erschien Deecke dagegen die Bremer Kulturpolitik mit ihren ständig wechselnden Senatoren, ihren Sparkonzepten und dem „Chaos in der Kulturbehörde“, das Deecke seit Jahren beklagt – und zwar gerne auch öffentlich: Der promovierte (Kunst-)Historiker engagierte sich unter anderem bei der Kulturinitiative Anstoß, im „Kulturforum ’90“ und auf diversen Podien zum Thema Kulturpolitik. Ein Deecke-Zitat zum Thema Carpe Diem aus dem Jahr 1991: „Ich finde es entsetzlich, wenn mir im Zug jemand gegenübersitzt, und der guckt aus dem Fenster.“
Über die Nachfolgerin oder den Nachfolger von Thomas Deecke ist noch keine Entscheidung gefallen. Ursprünglich sollte die streng geheime Wahl der Findungskommission spätestens Mitte Januar getroffen sein, und dass man immer noch nicht so weit ist, lässt den Schluss zu: Die WunschkandidatInnen überlegen sich mehr als gut, ob sie wirklich wollen. Es muss Rückzieher gegeben haben, denn: Das Neue Museum Weserburg mag international renommiert sein, die Bremer Kulturpolitik und die Bremer Finanzsituation sind es nicht. Im Jahr 2004 hat man im Neuen Museum Weserburg zwei Prozent, im Jahr 2005 fünf Prozent an Mittelkürzungen hinnehmen müssen.
Die Entscheidung wird für diese Tage erwartet, zumal Deecke eigentlich ab Mai in Ruhestand gehen wollte. Damit wird’s wohl nichts – Deecke wird die Geschäfte kommissarisch weiterführen müssen, bis die oder der Neue tatsächlich antreten wird. Nach der Übergabe wird Deecke, 65, gebürtiger Lübecker, in seine Wunschheimat Berlin zurückziehen, wo er in den 1960er und 1970er Jahren studierte und promovierte.Von Berlin aus will er dann zuschauen, wie’s in Bremen weitergeht, und zwar ganz entspannt: Kunst, so Deecke, sei auch „eine Generationsfrage. Es gibt natürlich Bilder, die mich überhaupt nicht anmachen, aber jüngere. Deswegen ist ja auch wichtig, dass im Museum mal gewechselt wird. Da müssen Jüngere ran.“
Klaus Irler