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Archiv-Artikel

Seeadler stirbt als indirekte Jagdbeute

Weil Jagdmunition bleihaltig ist, vergiften sich Aas fressende Vögel. Auch für Menschen kann Wild gefährlich sein

BERLIN taz ■ Die Erkenntnis ist wissenschaftlich längst gesichert: Am häufigsten sterben Seeadler in Deutschland an einer Vergiftung durch bleihaltige Jagdmunition. Über 30 Tiere waren es 2004, die Gesamtpopulation beträgt 470 Paare. Wenn angeschossenes Wild dem Jäger entkommt, wird es zur leichten Beute für Adler. Die Vögel fressen die teils Millimeter kleinen Splitter der giftigen Substanz mit. Das aufgenommene Blei wird im Magen aufgelöst und ins Blut abgegeben.

Das Landwirtschaftsministerium in Berlin hat es jedoch nicht eilig, diesen Missstand zu beheben. „Wissenschaftlich nicht gesichert“, heißt es aus dem Hause von Renate Künast. Das deutsche Jagdgesetz soll zwar geändert werden, damit Bleischrot bei der Wasservogeljagd nicht mehr verwendet werden darf. Aber ein Verbot für alle Tiere fehlt in dem Entwurf. Zudem ist unklar, wann die Gesetzesnovelle verabschiedet wird.

Und das, obwohl auch andere Aas fressende Greifvögel wie der Mäusebussard und Rotmilan bedroht sind. Auch für Menschen ist das Schwermetall gefährlich. „Mit Bleischrot geschossenes Hochwild wie Hirsch, Reh und Schwein kann bei schlechten Treffern das Muskelgewebe kontaminieren“, erklärt Oliver Krone vom Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin. Über Steaks oder Braten konsumiere der Verbraucher das giftige Blei.

In Dänemark und den Niederlanden ist man weiter: Bleifreie Munition ist Pflicht. In Deutschland bestehen in fünf Bundesländern immerhin bereits Beschränkungen bei der Verwendung bleihaltiger Munition.

Schon seit längerem fordert der Naturschutzbund daher ein bundesweites Verbot. Alternativen sind seit 20 Jahren vorhanden, werden aber kaum genutzt. „Der Anteil bleifreier Munition ist mit ein bis zwei Prozent verschwindend gering“, klagt Jagdexperte Gregor Beyer. Dabei sei eine Umstellung ohne Einschränkung der Jagd möglich.

Der Deutsche Jagdschutz-Verbund ist anderer Ansicht. Die Munition sei nicht ausreichend getestet und könne das Gewehr beim Schuss sogar zum Explodieren bringen, sagt DJV-Präsident Borchert. RENÉ STEENBOCK