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Archiv-Artikel

Immerhin einen Prosecco wert

Wladimir Klitschko haut in Dortmund nach langer Zeit wieder einen Gegner um. „He‘s back“, tönt die Boxindustrie. Mal langsam, sagt Klitschko. Denn solange die Marke lebt, ist Risiko unangebracht

AUS DORTMUNDKLAUS JANSEN

Round zero: Die Damen in den Logen tragen Stilettos und Cowboyhüte. Der Prosecco aus dem Plastikglas kostet vier Euro. Auf dem Oberrang feiern betrunkene Fans von Borussia Dortmund den Bundesliga-Sieg vom Nachmittag. Die Bild am Sonntag wirbt im Foyer neue Kunden an. Und man fragt sich, welchem Tier dieser pinke Pelz einmal gehörte. Dortmund, Westfalenhalle, Samstagabend: 9.000 Zuschauer freuen sich auf den ersten Boxkampf von Welt im Ruhrgebiet seit langer Zeit. Wladimir Klitschko trifft auf den Kubaner Eliseo Castillo. Der Ringsprecher kündigt an: „Um 22.42 Uhr geht die ARD live auf Sendung. Bitte nehmen sie bis dahin ihre Plätze ein und zeigen sie den Fernsehzuschauern, dass hier gute Stimmung ist.“

Wladimir Klitschko ist noch vermarktbar. Dass er nach den peinlichen KO-Niederlagen gegen Corrie Sanders und Lamon Brewster noch eine Halle füllen und B-Promis wie Verona Pooth, Uschi Glas und Ralf Möller an den Ringrand locken kann, wird die wichtigste Botschaft des Abends bleiben. Vielleicht zieht die Marke Klitschko nur noch, weil das Fernsehen das Glaskinn Wladimir und seinen erfolgreicheren, aber momentan leider verletzten Bruder Vitali noch immer nicht auseinander halten kann. Vielleicht ist es sowieso egal, wer im Ring steht. Die BVB-Fans feiern im Vorkampf einen Norweger, der den schönen zweiten Vornamen „Inge“ trägt.

Runde eins: Eliseo Castillo läuft weg. Eine klasse Geschichte hat die Box-PR vor dem Kampf über den noch ungeschlagenen Exil-Kubaner erzählt. Der Bootsflüchtling, der sechs Tage und sechs Nächte auf einem Floß zwischen Havanna und Florida herumirrte, schließlich in Miami strandete und sich durchbiss. Der sich als US-Amerikaner mit kubanischem Herzen bezeichnet. Der die gute kubanische Box-Schule durchlaufen hat. Doch leider ist Castillo 12 Zentimeter kleiner und acht Kilo leichter als Klitschko. Deshalb läuft er weg. Im Uhrzeigersinn bewegt er sich um Klitschko herum, wahrt die Distanz. Erst nach zwei Minuten wird er zum ersten Mal getroffen.

Runde zwei: Castillo wird langsamer. Klitschko trifft mit der Führhand. „Beevaubee, beevaubee, beevaubee“, schallt es vom Oberrang.

Runde drei: Der Betreuer in der Ecke von Eliseo Castillo brüllt und schlägt in die Luft. Sein Schützling im Ring schlägt überhaupt nicht. „Ich weiß gar nicht, was der wollte“, wird Boxmanager Wilfried Sauerland, der mit seinen Kämpfern zuvor das Rahmenprogramm für den Selbstvermarkter Klitschko übernommen hat, nach dem Kampf sagen. „Haut drauf, Kameraden, haut drauf“, singen die BVB-Fans. Klitschko benutzt weiter die Führhand.

Runde vier: Die Rechte kommt geradeaus, und sie durchschlägt die Deckung. Eliseo Castillo macht einen Schritt zurück, bleibt stehen. Einundzwanzig, zweiundzwanzig, die Sekunden verstreichen. Dann erst setzt sich der Kubaner auf den Hintern. Der Ringrichter zählt. Castillo will nicht aufstehen. Er hat die erste Ausfahrt aus dem Kampf genommen, die sich ihm bot. Klitschko jubelt. Es regnet goldenes Konfetti. „Heeeee‘s baaaack“, ruft der unvermeidliche Ringsprecher Michael Buffer ins Mikrofon.

Nachschlag: „Das war ein perfekter Kampf. Man könnte ein Lehrbuch darüber schreiben“, sagt Klitschkos Trainer Emanuel Steward. Der kleine Amerikaner mit den listigen Augen beugt sich nach vorn. „In dieser Form knockt Wladimir jeden Schwergewichtler dieser Welt aus,“ sagt er. Es ist ein Uhr nachts.

Wladimir Klitschko ist frisch geduscht, sein Gesicht enstellt keine Beule. „Ich muss noch viel lernen“, sagt er. Eliseo Castillo hat da die Halle schon längst verlassen. „Er war ein akzeptabler Gegner“, sagt Klitschko. Sicher „langsamer, als ich dachte“. Aber kein Fallobst. „Sonst hätten die ARD und die Amerikaner von HBO kein Interesse gezeigt“, sagt Klitschko. Er weiß: Solange das so bleibt, kann seine Karriere weitergehen. leibesübungen Seite 19