: Kopfüber in die Langeweile
Im Studio des Dortmunder Theaters inszenierten drei Jung-Regisseure parallel drei Handlungs-stränge aus dem viel gespielten „Suburban Motel“-Zyklus des kanadischen Autors George F. Walker
VON PETER ORTMANN
Ein Motel irgendwo oben im Dortmunder Theater. Über drei Zimmern wurde das Dach entfernt. Zuschauer sitzen rechts und links, schauen in das durchsichtige Puppenhaus, wo dreizehn Protagonisten drei Handlungsstränge durchleben. White Trash soll das sein. Doch für Plunder, Ramsch, Abfall, Schund und Kitsch (so die Trash-Definition) war die dreifache Regie zu lahm, als Gesellschafts-Klamauk ist das „Suburban Motel“ zu unlustig. Die Zeit quält sich dahin, 210 Minuten sind verdammt viel für das Big Brother-Container-Geschwafel des kanadischen Autors George F. Walker (58).
Im Handlungsstrang „Problemkind“ versuchen der fernsehkranke Ex-Knacki RJ und seine Ex-drogensüchtige Frau Denise (“Ich hab nur mal eben sechs Bier getrunken“) ihr Kind von Pflegeeltern zurück zu bekommen. Ein schwieriges Unterfangen, weil die elegante Dame vom Sozialamt immer im falschen Moment ins schmuddelige Motelzimmer schneit. Am Ende bleibt Denise mit einer Pistole zurück, die sie mal eben auf dem Weg zu ihrer Mutter gekauft hat. Es gibt wahrlich kein Klischee, das Autor Walker, der in seiner bewaldeten Heimat als bester Dramatiker gilt, sich nicht zu benutzten scheut. Ein Mark Ravenhill wird aus ihm nie werden.
In „Loretta!“ will die Schwangere, deren Mann vom Bären gefressen wurde, aber nicht Vater ihres Kindes ist, aus dem spießigen Zuhause ausbrechen, Geld verdienen, Entscheidungen konsequent selber treffen und anschließend auf eigenen Füßen stehen. Doch die Kellnerin mit schweizer Dialekt gerät an einen Idioten und einen Amateur-Pornofilmer. Am Ende liegt sie mit der Tochter des gestorbenen russischen Motelbesitzers im Bett und freut sich auf den Nachwuchs. Auch die Geschichte hat Herbert Reinecker Qualität.
Der dritte Handlungsstrang „Genie und Verbrechen“ könnte Trash-Qualitäten haben, wenn er nicht als merkwürdige Mischung aus Comedy und gymnasialer „Psycho“-Interpretation inszeniert worden wäre. Vater und Sohn, beide hirnlose Kleinganoven, sind zu blöd einen einfachen Auftrag (Abfackeln eines Restaurants, in dem die Tochter des Mafiabosses arbeitet) auszuführen und richten damit ein Chaos in der Unterwelt an, penetriert vom ganzlederbekleideten Manager des Motels, der mit tuntiger Stimme und dem Satz „Ich will 400 Schleifen, oder ihr fliegt raus“ Gangster und Publikum gleichermaßen aus dem Off nervt. Gut, dass alle am Ende erschossen werden. Ein schlüssiges Ende dieser Pfeifen.
Interessant hätte es werden können, wenn die Handlungsstränge in Dortmund nicht szenenweise hintereinander, sondern gleichzeitig abgelaufen wären. Nicht nur, dass der Abend um zwei Drittel kürzer geworden wäre. Das parallele Outsider-Leben im Motel, das es in Stratford, Ontario tatsächlich gibt, wäre so vielleicht trashiger geworden.
Mi., 20:00 Uhr, Theater DortmundInfos: 0231-5027229