piwik no script img

Archiv-Artikel

Kabinenpredigt Jugend trainiert

Wenn die Bäume ausschlagen, dann schwärmen die Trainer aus. Sobald die große Zeit der Sommersportarten beginnt, bringen die Kinder ihren Eltern Zettel aus der Schule mit und erzählen von coolen Typen, die in der Klasse einen kleinen Vortrag gehalten hätten. Auf den Zetteln werden die Kinder zum Schnuppertraining eingeladen. Segeln, Rudern, Paddeln – vor allem die Wassersportarten sind in diesen Tagen auf Kinderfang.

Der braun gebrannte, junge Trainer mit den blondierten Haaren kommt besonders gut an bei acht-, neunjährigen Mädchen und Jungen. Er hat den Kanurennsport vor der Klasse in den höchsten Tönen gelobt, und als die Schnupperstunde ansteht, findet sich bei weitem nicht für jedes Kind ein Boot. Der Trainer wiederholt seinen Vortrag noch einmal und lässt die Kinder ein paar Aufwärmübungen machen.

Hinter dem Rücken des Trainers strahlt der Tegeler See stahlblau in der Nachmittagssonne und bildet zumindest eine Wassersportkulisse. Die Kleinen sind begeistert. „Kanu ist cool“, erzählen sie am Abend zu Hause. Sie wollen ab sofort jeden Dienstag und Donnerstag das Paddeln erlernen.

Aber so einfach ist das nicht. Donnerstag ist Töpfern, Montag und Dienstag geht der Kleine schon zum Schwimmen und am Mittwoch kommt der Schlagzeuglehrer. „Du hast vergessen, dass ich noch zum Fußball wollte“, wirft der ehrgeizige Nachwuchssportler in die ratlose Runde des Familienrats ein und macht die Sache mit seiner Bemerkung auch nicht gerade leichter. „Dann musst du das Schwimmen eben bleiben lassen“, meint Papa. „Aber da bin ich doch jetzt schon so lange dabei“, kommt prompt die Antwort. „Und das Töpfern?“, fragt Papa nach. „Spinnst du, ich habe mein Krokodil doch noch nicht fertig.“ „Ja, dann …“

Nach tagelangen Diskussionen, während derer der Sohn viele Tränen vergießen musste und es die Eltern nicht immer geschafft haben, mit der in der zu Rate gezogenen Beratungsliteratur empfohlenen Gelassenheit zu argumentieren, steht der Plan. Montag Fußball, Dienstag Schwimmen, Mittwoch Fußball, Donnerstag Kanurennsport. Und für den Freitag haben die Eltern schließlich einen Drachenbootverein gefunden. Da kann der Kleine dann rudern oder trommeln, je nachdem wozu er Lust hat.

Dann ist es auch nicht ganz so schlimm, dass für den Schlagzeugunterricht keine Zeit mehr bleibt. Nur gut, dass der Junge am Wochenende keine festen Termine hat, sonst hätte er am Ende gar keine Zeit, an den Wettkämpfen und Pflichtspielen teilzunehmen.

Andreas Rüttenauer