Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Vor dem Visa-Ausschuss wird Joschka Fischer die Methode Ludger Volmer anwenden: Erst Attacke und dann niederlangweilen. Viel zu verlieren hat er nicht, denn die grüne Stammwählerschaft interessiert das Thema nicht

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Seit der Dosenverordnung fahre ich mir ununterbrochen Glasscherben in die Fahrradreifen.

Was wird besser in dieser?

Immer weniger Stürze wegen Dosenschrott auf dem Radweg.

Heute tritt Joschka Fischer vor dem Visa-Ausschuss auf. Wie wird er sich verteidigen?

Methode Ludger Volmer – Attacke und anschließend alles mit Details erbarmungslos niederlangweilen.

Stimmt es, dass Rot-Grün wackelt, wenn er einen schlechten Eindruck hinterlässt?

Die Stammwählerschaft der Grünen – mehr als fünf Prozent, schätze ich – steht dem Visa-Thema schmerzfrei gegenüber, billigt eher die „Im Zweifel für die Reisefreiheit“-Doktrin. Also kann Fischer nur verlieren, was er im konservativen Lager bisher an Stimmen wilderte und was die Grünen an gefrusteten SPD-Wählern einsammelte. Das aber passt zur neuartigen Leihstimmen-Zurückgeb-Strategie Münteferings und Steinbrücks. Unterm Strich ein Nullsummenspiel.

Ist Visa-TV, die Live-Übertragung aus dem Untersuchungsausschuss, ein Gewinn für die politische Kultur?

Die Unschuld ist futsch; künftig wird man U-Ausschüsse nach der Maßgabe besetzen, welche Obleute im TV gut funktionieren – diese hier nicht. Bei allen anderen Parlamentsausschüssen wird gefeilscht, zur Mitte gestrickt, ergebnisorientiert verhandelt – das würden Fernsehkameras zerstören. In U-Ausschüssen dagegen geht’s eh um die größtmögliche Polarisierung. Also da und nur da: ja zur Übertragung. Übrigens muss Wolfgang Thierse nun seine These vom „Bedeutungsniedergang des Parlaments auch wegen des Fernsehens“ revidieren.

Wir sind, wenn man den Mediensound derzeit richtig hört, nicht nur alle ganz doll katholisch geworden, sondern auch Antikapitalisten. Ist Münteferings Rhetorik ernst zu nehmen? Oder ist das nur Taktik?

Ernst zu nehmende Taktik. Müntefering kennt den Ruhrgebietssozen, das bringt kurzfristig durchaus noch etwas an die Urne in Nordrhein-Westfalen. Langfristig könnte sich die SPD auch in der Opposition die Kugel geben, lernte sie nicht langsam etwas aus dem Globalisierungsdiskurs.

In NRW wird in vier Wochen gewählt. CDU und FDP liegen meilenweit vorn. Hat Rot-Grün noch eine Chance?

Gelingt es weiterhin, geheim zu halten, dass Müntes Partei in Berlin regiert, mobilisiert das die Stammwähler. Dazu steht es Rüttgers frei, Fehler zu machen. Hauchdünn, aber ja.

Hat Rot-Grün in Berlin noch eine Chance, wenn Jürgen Rüttgers in Düsseldorf regiert?

Kaum.

Nach diversen EU-Erweiterungen und der Euro-Einführung wollen manche jetzt plötzlich doch mal die Bevölkerung anhören, beim Thema Verfassung. Diskriminieren Gelegenheitsdemokraten aus NPD und rechtem Rand das Anliegen?

Von den Burschen beim Hambacher Schloss bis zur Paulskirche war die deutsche Einheit ein „linkes“, damals: fortschrittliches Ziel einer kleinen Minderheit. Umsetzen konnte es erst dreißig Jahre später der strammrechte Bismarck. Nur der Sieg gegen Frankreich brachte einigermaßen tragfähiges Nationalgefühl auf. Hm. Wen müsste die EU kriegerisch überfallen, damit wir Deutsche beginnen, sie lieb zu haben? Dessen unbenommen: Eine Verfassung ohne breite Willensbildung aller Betroffenen ist und bleibt Oktroy.

Und was macht Borussia Dortmund?

Zehn Punkte aus vier Spielen.

INTERVIEW: SR/RR