„Wir kontrollieren nur “

STAATSKNETE Zum Abschied ein Interview: Der Rechnungshof soll die Verwaltung kontrollieren. Zehn Jahre war Lothar Spielhoff dessen streitbarer Präsident

„Bremen hängt am Tropf, muss also vermeiden, sich freizügig über geltende Regeln hinwegzusetzen“

Von KLAUS WOLSCHNER

taz: Herr Spielhoff, als Präsident des Rechnungshofes steht man in der Öffentlichkeit gegen die gesamte bremische Politik. Eine undankbare Rolle?

Spielhoff: Dafür wird sie gut bezahlt. Es besteht zudem immer ein Unterschied zwischen der Reaktion der Akteure der Exekutive und der Diskussion über die Berichte im Parlament. Da hatten wir meist breite Unterstützung.

Was war ihr schärfster Konflikt in dieser Zeit?

Große Konflikte hat es gegeben, wenn Entwürfe für Prüfberichte vorzeitig in die Öffentlichkeit gespielt wurden. Den größten Ärger hat ein Prüfbericht über Investitionen im Schulbereich gegeben, als Reinhard Hoffmann dort Staatsrat war. Ich war damals für die Prüfung zuständig.

Damals wurde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet ...

... und die hat Zeitungsredaktionen durchsuchen lassen.

Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt.

Der damalige Finanzsenator Ulrich Nölle hatte, nachdem klar war, wer das Dokument weitergegeben hat, keinen Strafantrag mehr gestellt.

Unter Journalisten war damals bekannt, das es sich um Nölles eigenen CDU-Staatsrat Johannes Behrmann handelte.

So hieß es. Einen großen Konflikt gab es auch über die Bewertung der Sanierungspolitik. Das Problem war damals, dass unser Gegenüber die große Koalition war, da hat ein Rechnungshof immer schlechte Karten. Die Opposition hatte nur zehn Prozent.

Damals war Karoline Linnert von den Grünen die Sprecherin der Opposition. Sie ist heute Finanzsenatorin – hat das Amt sie Ihrem Eindruch nach verändert?

Natürlich muss sie heute andere Dinge beachten. Die Rolle der Finanzsenatorin ist eine schwache Rolle, sie hat keine besonderen Rechte, sie muss Rücksicht nehmen, sie kann neben dem Bürgermeister keinen Ego-Trip ausleben. Sie hat es heute nicht mehr so einfach wie früher.

Der Rechnungshof hat oft fehlende Wirtschaftlichkeit kritisiert, einige Male aber auch die Höhe von Sozialleistungen.

Wenn sie regelwidrig waren.

Manchmal sind die Regeln so schlecht, dass die Verwaltung zu Recht großzügiger ist.

Wir machen die Regeln nicht, wir sind nur berufen, um zu kontrollieren, ob die Regeln beachtet wurden. Wir können nichts dafür, dass die Heizkosten in der Hartz-VI-Pauschale drin sind. In einer Situation, in der Bremen am Tropf anderer hängt, muss Bremen aber auch vermeiden, sich freizügig über bundesweit geltende Regeln hinwegzusetzen. Das betrifft auch den Unterhaltsvorschuss, wenn Väter nicht zahlen.

„Bremen am Tropf“ – die Staatsschulden steigen derzeit wieder dramatisch – was ist Ihre Prognose für 2020?

Ich weiß es nicht, das ist eine ganz schwierige Frage. Da muss so viel zusammen kommen, um eine gute Lösung denkbar zu machen – ein Pessimist würde sagen: Soviel kann nicht zusammen kommen. Es gibt ja zwei Probleme: die Abhängigkeit vom Länderfinanzausgleich und den Schuldenberg. Den anderen Bundesländern wäre der Schuldenberg Bremens egal, wenn sie nicht über den Länderfinanzausgleich Zahlungen leisten müssten. Eine richtige Lösung kann es erst geben, wenn der Länderfinanzausgleich so novelliert wird, dass Bremen mehr Geld bekommt. Bis zum Jahre 2020 ist es, politisch gesehen, aber sehr weit hin. Es ist derzeit durchaus vorstellbar, dass im Jahre 2015 alle Bundesländer sagen: Wir schaffen das nicht ohne Neuverschuldung im Jahre 2020.

Der Juli war Ihr letzter Monat im Amt – was machen Sie nun?

Ich bin nächste Woche nach Tiflis eingeladen. Der dortige Rechnungshofs-Präsident möchte seine Behörde stärken und sucht dazu Beratung.

Waren sie in Ihrem Leben schon mal in Georgien?

Nein. Henning Scherf habe ich beim Bäcker getroffen, der hat gesagt, das sei eine schöne Gegend.