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Archiv-Artikel

Silber-Studenten reden mit

SENIORSTUDIUM Die Hamburger Uni hat die Seniorstudenten als eigenständige Gruppe anerkannt. Ein symbolischer Akt, denn die Ressourcen für die Alten werden knapper

Die Uni Hamburg hat als erste Hochschule ihre Seniorstudenten offiziell anerkannt

VON MART-JAN KNOCHE

Der Gedanke ist nicht neu: Schon Sokrates philosophierte von der Idee des Lebenslangen Lernens. Heute ist „LLL“ zum bildungspolitischen Ziel avanciert. Die Universität Hamburg zum Beispiel hat gerade ihre Seniorenstudenten offiziell als selbstbestimmte Angehörige der Universität anerkannt. Ein einmaliger Vorgang an einer deutschen Hochschule.

Seit dem Sommersemester 2009 ist sie in Kraft: Die eigene „Ordnung für die Interessenvertretung der Studierenden im Kontaktstudium für ältere Erwachsene“ (KSE). Ihren undefinierten Status haben die so genannten KSE-Studierenden mit dieser Ordnung aufgegeben. Zugunsten klarer Rechte, die auch den Senioren nun die Selbstverwaltung ihrer Studiengänge ermöglichen. Seit fast drei Jahren haben sie sich beim Akademischen Senat der Uni Hamburg darum bemüht; jetzt sind sie auf dem Campus keine Gäste mehr.

Gewiss, günstige Studenten-Fahrkarten für den Nahverkehr gibt es weiterhin nicht, und auch ein Mensa-Teller kostet für die älteren Kommilitonen so viel wie vorher: den leicht höheren Preis, den auch Gasthörer zahlen. Aber stehen bei den grau melierten Studierenden materielle Forderungen im Mittelpunkt? „Nein“, sagt Wolfgang Poppelbaum, 70, vom KSE-Sprecherrat. „Wir wollen ja nicht, dass sich die Leute nur wegen Vergünstigungen einschreiben.“ Aus der neuen KSE-Ordnung ergäbe sich viel Wichtigeres.

Erstens, so Pappelbaum, bedeute sie die Absicherung des KSE-Studiums überhaupt. „Wir stehen nun in der Grundordnung der Uni, die nicht mal eben so gerändert werden kann.“ Eine Abschaffung – beispielsweise wenn die Politik sparen wolle – sei jetzt schwieriger. Zweitens erhalte der gewählte KSE-Sprecherrat nun eine offizielle, demokratische Legitimation. Poppelbaum: „Unsere Interessen können wir nun gestärkt gegenüber allen Uni-Instanzen vertreten.“ Und diesen Rückhalt können die KSE-Studierenden gebrauchen.

Denn die KSE-Ordnung bleibt eher eine symbolische Geste der Universität: Seit im Zuge der Hochschulreform die gestrafften Bachelor-Studiengänge eingeführt wurden, sind für die KSE-Studierenden weniger Plätze verfügbar. „Von gut 300 Seminaren werden nur etwa 50 von uns angeboten“, sagt Stefanie Woll von der Arbeitstelle für wissenschaftliche Weiterbildung (AWW) an der Universität Hamburg. Und da die Fakultäten nun weniger Plätze stellen, sei die übliche Anzahl von 2.000 KSE-Studierenden nicht mehr erreicht worden.

Rund 1.500 waren es im auslaufenden Semester: Hamburger Bürger, die das wissenschaftliche Weiterbildungsangebot der Hochschule nutzen. 110 Euro kostet ein Semester im Kontaktstudium, das sich seit 1993 an ehemals Berufstätige wendet. Sie studierenen Geschichte, Kunst, Theologie, Physik – was sie wollen. Entweder mit den Jüngeren in regulären Veranstaltungen oder in Seminaren, die speziell für die Älteren angeboten werden. Man braucht keine Hochschulzugangsberechtigung, kann allerdings auch keinen Studienabschluss erlangen. Es geht um die Idee des LLL.

Die Universität Hamburg nimmt dabei bundesweit eine Vorreiterrolle ein: Auch das deutsche Bildungsministerium hat im Bologna-Communiqué 2003 versprochen „die Möglichkeiten für Lebenslanges Lernen auf Hochschulebene, einschließlich der Anerkennung früher erworbener Kenntnisse, zu verbessern“. Im Bologna-Prozess, der einen einheitlichen europäischen Hochschulraum anstrebt, ist das LLL fest verankert.

Die AWW an der Uni organisiert nicht nur die KSE-Veranstaltungen für Ältere: Im Rahmen des EU-Lifelong-Learning-Programme erstellt Stefanie Woll derzeit den Deutschlandreport für eine europäische Datenbank, in der bald alle Hochschul-Angebote erfasst werden sollen, die Europäer zum lebenslangen Lernen und für ehrenamtliche Arbeit nutzen können. Value soll die Ideenbörse heißen und bis 2011 fertig sein.

Und wie steht es um Generationen-Konflikte im Hörsaal? „Seit Jahren gar keine“, sagt Woll. Und vor ein paar Jahren habe auch vor allem die Presse „Rabatz“ gemacht. Der Asta bestätigt das.