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Thüringens Ordnungshüter weiter in Verruf

SPD und PDS fordern im Landtag, die Skandalpolizei des Freistaats umzubauen. Erneut Todesfälle bei Einsätzen

BERLIN taz ■ Das Pfeifen und Trommeln der Demonstration auf dem Erfurter Anger schwoll immer mehr an. Die Menschen drängelten gegen die Polizei-Ketten, die sie von den Rechtsextremen separierten. Rund 1.000 Erfurter waren letzte Woche dem Aufruf zur einer Kundgebung gegen die NPD gefolgt.

Nun aber eskalierte die Situation. Lautsprecheransagen der Polizei gingen unter. Genau wie die Bitten des Deeskalations-Beauftragten. Fünf Minuten später ging die Thüringer Polizei mit Wasserwerfern vor – gegen die linken Gegendemonstranten. Die Einsatzkräfte hätten, wie Mitarbeiter der Initiative „Bürger beobachten die Polizei“ berichteten, „unverhältnismäßige Gewalt“ angewendet.

Der Landtag befasste sich daraufhin mit der Einsatzfreude der Thüringer Polizei. Die beiden Oppositionsparteien PDS und SPD fordern nachhaltige Veränderungen bei der Truppe. Auch Innenminister Karl-Heinz Gasser (CDU) ist in der Kritik. „Wenn sich zeigt dass der Innenminister die Vorfälle nicht in den Griff bekommt, werden wir auch seinen Rücktritt fordern“, sagte Fraktionschef Christoph Matschie der taz.

Thüringens Innenminister fand seine Jungs hingegen auch beim Wasserwerfen Klasse. Er lobte den Einsatz gegen die Anti-NPD-Demonstranten als „vorbildlich“. Dabei hätte Gasser allen Grund zum Grübeln. Nach diversen früheren Polizeiskandalen, als etwa Thüringer Bereitschaftspolizisten bei einer Demonstration in Hamburg zwei Zivilkollegen verprügelten, kam es jüngst wieder zu bemerkenswerten Vorfällen.

Am 1. April überredeten Beamte bei einer Verfolgungsjagd einen LKW-Fahrer seinen Laster als Straßensperre gegen einen Amokfahrer zur Verfügung zu stellen. Der wurde zwar gestoppt – allerdings tötete sein Auto den halbfreiwilligen Hilfspolizisten.

Einen Tag später wurde viel zu wenig Polizei zu einem illegalen Skinheadkonzert nach Pößneck abkommandiert, wo sie sich einer fünffachen Übermacht an Neonazis gegenübersah. Die Einsatzleitung hatte zu spät gemerkt, dass die NPD am gleichen Ort einen Parteitag abhielt.

Am 5. April schließlich gerieten Beamte in Rudolstadt in eine kritische Situation. Ein Mann, der gerade den Lebensgefährten seiner Ex-Frau erschossen hatte, wollte mit ihr und einem Baby fliehen. Die Polizisten feuerten daraufhin 17 Schüsse auf den Mörder ab - die Frau erhielt einen Streifschuss, das KInd der beiden blieb unverletzt. Gegen die Beamten wird nun ermittelt.

Die Krise der Thüringer Polizei ist auch strukturell bedingt. Die Kollegen dort sind die schlecht bezahltesten in Deutschland, sie verdienen fast 10 Prozent unter Durchschnitt. „Jetzt soll auch noch unser Kleidergeld gekürzt werden“, moniert der Vorsitzende der Thüringer Polizeigewerschaft Jürgen Schlutter. Daher fordert die PDS auch grundsätzliche Antworten. „Mit dem Auswechseln von Personen ist es nicht getan“, meint der parteilose PDS-Innenexperte Roland Hahnemann.

Innenminister Gasser hat indessen schon wieder andere Sorgen. Die neueste Affäre betrifft gleich zehn Prozent seiner Polizeitruppe. Bei 630 von insgesamt 6.400 Thüringer Vollzugsbeamten wurden auf Dienstrechnern Pornos gefunden. Wieder ein Fall für die Staatsanwaltschaft. ANNA LEHMANN

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