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Archiv-Artikel

Letzte Hoffnung: Fischer

Fischer ist nicht der liebe Gott! Fischer rettet die NRW-Wahl! Fischer muss Klartext reden! Die Wünsche an die rot-grüne Galionsfigur vor dem Live-Verhör im Visa-Ausschuss sind immens

BERLIN taz ■ Allen Ansprüchen, die an sein heutiges Fernsehverhör vor dem Visa-Ausschuss gestellt werden, kann Joschka Fischer gar nicht gerecht werden. Der SPD-Politiker Olaf Scholz, selbst Obmann im Untersuchungsausschuss, erwartet, dass Fischer mit Bravour den stockenden rot-grünen Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen eine Wende gibt. In der Union glaubt man vor dem Auftritt des kriselnden Helden, dass entweder Fischer nach seiner Aussage politisch tot ist oder eben der Untersuchungsausschuss.

Die live übertragene Zeugenaussage des Außenministers beginnt heute um 10 Uhr. Beobachter erwarten, dass die bei der Vernehmung von Exstaatsminister Ludger Volmer erzielten Spitzenwerte von einer halben Million Zuschauer deutlich überschritten werden. Der Visa-Ausschuss will klären, inwieweit der Außenminister vom Visa-Missbrauch gewusst oder gar administrative Fehler begangen hat.

Eine Art Vorurteil haben die Zuschauer bereits gefällt. Die Popularität des Außenministers ist laut einer Umfrage steil abgestürzt. Seine Zustimmung sank um 20 Punkte, noch 54 Prozent wünschen ihm eine wichtige Rolle in der Politik. Deutlich vor Fischer steht Bundespräsident Horst Köhler mit 72 , knapp hinter Fischer folgen Angela Merkel mit 53 und Gerhard Schröder mit 52 Prozent.

Kritik an Fischer kam gestern sogar von Grünen. „Ich habe nie die Position geteilt, dass Fischer der liebe Gott ist“, sagte Parteichefin Claudia Roth. Ihre niedersächsische Parteikollegin Brigitte Pothmer meinte, „Fischer hat allen Grund, über seine Fehler selbstkritisch nachzudenken“. Für die Union forderte ihr innenpolitischer Experte Wolfgang Bosbach (CDU), Fischer müsse endlich sagen, wann er von der Visa-Affäre erfahren habe. Und „warum es so quälend lange gedauert hat, bis die offensichtlichen Fehler abgestellt wurden“.

Allerdings könnte der Ausschuss auch ein anderes Schwergewicht der Regierung in Bedrängnis bringen – Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Die Schleuserkriminalität wurde nämlich weniger durch den Volmer-Erlass als vielmehr einen früheren vom 15. Oktober 1999 gefördert. Schilys Haus hat diesen Erlass nicht nur mitgezeichnet, sondern sogar initiiert. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz bestätigte dies der taz. „Die Erlasse waren kein Alleingang eines einsamen Staatsministers, das wurde alles breit mit dem Innenministerium abgestimmt.“ CHRISTIAN FÜLLER

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