: Hamburger Rotlichstrukturen
Rund 2.400 Prostituierte bieten nach Schätzungen der Polizei in der Hansestadt auf dem Straßenstrich, in Laufhäusern, Clubs und Modellwohnungen ihre „Liebesdienste“ an.
Besonders strukturiert ist nach Erkenntnissen der Ermittler der Kiez auf St. Pauli. Kam es bis in die Neunziger Jahre hinein häufig zu offenen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Gruppen im Kampf um die Vorherrschaft auf Hamburgs so genannter sündigster Meile, sind die Claims heute abgesteckt.
Das Gebiet rund um Reeperbahn und Große Freiheit ist zwischen einzelnen Clans aufgeteilt, es herrschen klare Regeln. An der Herbertstraße und auf dem Straßenstrich in der Davidstraße arbeiten hauptsächlich deutsche Prostituierte, die von deutschen Zuhältern kontrolliert werden. An der Schmuckstraße kobern Transen aus Südamerika und Asien sowie südamerikanische Frauen ihre Freier an. Auch albanische und türkische Rotlichtgrößen verfügen auf dem Kiez über großen Einfluss.
Hamburgs zweitbekanntestes Rotlichtviertel ist der Hauptbahnhof-nahe Stadtteil St. Georg. Auf dem so genannten Drogenstrich regiert die Beschaffungsprostitution: Viele der etwa 300 hier tätigen Huren sind suchtkrank und bieten sich vor allem dann an, wenn sie Geld für Stoff brauchen.
Besonders die Öffnung der Grenzen nach Osten haben das Gesicht der Prostitution verändert. Seitdem dominieren osteuropäische Frauen die Szene. Viele dieser Frauen arbeiteten zunächst unter schlechtesten Bedingungen in heruntergekommenen Clubs in den Nebenstraßen von St. Pauli, die bis 1997 Laden für Laden von der Polizei dicht gemacht wurden. Gleichzeitig aber wuchs die Zahl der Modellwohnungen von etwa 50 (1990) auf etwa 900 (Ende 1997) an. Durch ein anschließend aufgelegtes Konzept zur Bekämpfung der Modellprostitution gelang es der Hamburger Polizei, die Zahl der Steigen auf heute knapp 400 zu reduzieren. Viele Frauen wanderten ab: auf den Straßenstrich in St. Georg und an der Süderstraße in Hammerbrook oder in einen der rund 40 Hamburger Sex-Clubs.
Immer wieder gelang es der Hamburger Polizei in der Vergangenheit mit spektakulären Großeinsätzen, organisierte Menschenhändler- und Zuhälter-Banden zu zerschlagen: 1999 wurde die „Trinitas“-Bande zerschlagen, die mehrere Wohnblocks in verschiedenen Hamburger Stadtteilen komplett in Modellwohnungen umgewandelt und hier 175 Prostituierte untergebracht hatte. Ein Jahr später konnte eine Gruppe von „Hells Angels“ verhaftet und später angeklagt und verurteilt werden, die mehrere Großbordelle auf Hamburgs Reeperbahn kontrollierte.
Ebenfalls zum Anfang der Jahrtausendwende wurde ein Großverfahren gegen eine russische Bande von Menschenhändlern und Zuhältern abgeschlossen, an deren Spitze eine Frau stand.
Unter der Regie der ehemaligen Zwangsprostituierten waren die Frauen durch Massenvergewaltigungen „diszipliniert“ worden. Die frauenverachtenden „Strafaktionen“ wurden von den Tätern „Subotnik“ genannt – was im Russischen nichts anderes als die freiwillige Arbeit im sozialen Bereich an Sonn-und Feiertagen bedeutet. Marco Carini