TARIFKONFLIKT MIT DEN LÄNDERN: VER.DIS STREIKMACHT IST BEGRENZT : Wut allein reicht nicht
Die Gewerkschaften sind fast machtlos, das hat sich herumgesprochen. Aber selbst diese Machtlosigkeit ist noch steigerbar, wie sich nun zeigt. Ver.di ist die weltweit größte Gewerkschaft – und dennoch beliebig erpressbar durch die Bundesländer. Die Finanzminister wissen genau, was sie durchsetzen wollen: Ihre Landesangestellten sollen Einkommenseinbußen von bis zu zehn Prozent hinnehmen, durch längere Arbeitszeiten sowie gekürztes Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Das will Ver.di natürlich verhindern. Aber wie? Diese Frage ist so unklar wie noch nie in der Gewerkschaftsgeschichte.
Der normale Ausweg aus jedem Konflikt ist der Kompromiss. Doch ihn kann es diesmal nicht geben. Denn die Länder haben sich von Anfang an rigoros gezeigt: Sie wollen maximale Zugeständnisse und sind daher aus der Tarifgemeinschaft mit Bund und Kommunen ausgestiegen. Endlich wollen sie nutzen, dass sie so viel verhandlungsstärker als die Gemeinden sind. Müssen die Länder doch Streiks kaum fürchten, da sie vor allem Wissenschaftler und Verwaltungsangestellte beschäftigen – während die Kommunalpolitiker schnell in Not geraten, wenn die Mülltonnen ungeleert bleiben.
Ver.di weiß um die begrenzte Streikmacht. Daher wäre es naheliegend, den Ländern ein wenig entgegenzukommen, um die Machtprobe nicht zu riskieren. Doch leider ist auch dies unmöglich: Bund und Kommunen haben sich zusichern lassen, dass sie nachträglich profitieren, falls die Länder einen besseren Tarifvertrag heraushandeln. „Meistbegünstigungsklausel“ heißt das. Ver.di müsste dann etwa 2,3 Millionen Beschäftigten in Bund und Gemeinden erläutern, warum sie plötzlich schlechter dastehen, als sie bisher dachten. Das überlebt keine Gewerkschaft.
Also doch Streik? Er kann nur verloren gehen. Hilflos kündigte Ver.di-Chef Bsirske daher gestern „fantasievolle Aktionen“ und „Unberechenbarkeit“ an. Er scheint zu hoffen, dass eine „langanhaltende Unzufriedenheit in den Landesverwaltungen“ die Finanzminister umstimmen könnte. Vielleicht hätte dieses dumpfe Grollen sogar begrenzten Erfolg – doch um bloß wütend zu sein, braucht man keine Gewerkschaft. ULRIKE HERRMANN