: Tschechiens Premier Gross gibt klein bei
Nach monatelangem Tauziehen tritt der angeschlagene sozialdemokratische Regierungschef zurück und rettet damit die Regierungskoalition. Sein Nachfolger und Parteifreund Jiří Paroubek hat sich bis zu den Wahlen 2006 viel vorgenommen
AUS PRAG ULRIKE BRAUN
Es ist vollbracht: Tschechiens Premier Stanislav Gross ist zurückgetreten. Nachfolger wird sein Parteifreund Jiří Paroubek. Der Vizevorsitzende der sozialdemokratischen Partei (CSSD) war bislang Minister für regionale Entwicklung. Der Abgang von Gross rettet die Koalition aus Sozialdemokraten, der christdemokratischen Volkspartei (KDU-CSL) und der kleinen Freiheitsunion. Bis auf wenige personelle Änderungen, im Kabinett Paroubek soll es nur vier neue Minister geben, bleibt alles beim Alten.
Bis zu den nächsten Wahlen im Juni 2006 hat sich die alt-neue Regierung einiges vorgenommen. Die „Superpriorität“ sei, so Paroubek, die Ratifizierung der europäischen Verfassung. Außerdem will er Steuern von schwächer Verdienenden senken und die Privatisierung der Bergwerke „Severoceske doly“ und des Flugzeugbauers „Aero Vodochody“ abschließen. Als weiteres Schmankerl für potenzielle CSSD-Wähler will die neue Regierung den Bau von Genossenschaftswohnungen vorantreiben und jungen Ehepaaren günstige Kredite gewähren.
Nach monaterlanger Unsicherheit kann sich die Regierung wieder dem Tagesgeschäft zuwenden. Diskussionen um vorgezogene Wahlen oder eine CSSD-Minderheitenregierung von Gnaden der Kommunisten sind verpufft. Denn Gross hat endlich klein beigegeben. Ein Triumph vor allem für seinen Widersacher Miroslav Kalousek. Der Chef der Christdemokraten hatte vor einem Monat seine drei Minister zurückgepfiffen.
Die Regierung und Gross überlebten den Kabinettsstreich der Christdemokraten sowie ein Misstrauensvotum der oppositionellen Bürgerdemokraten ODS. Ersteres, weil Präsident Václav Klaus sich zierte, das Rücktrittsgesuch der christdemokratischen Minister anzunehmen, Letzteres, weil Gross um Hilfe bei der Kommunistischen Partei (KSCM) ersuchte und bei der Vertrauensfrage auch bekam.
Der nächste Akt im absurden Theater um Gross war der Versuch, unter Führung des tschechischen EU-Gesandten Jan Kohout eine Interimsregierung zu installieren. Er scheiterte am Kampf zwischen Gross und Kalousek. Der Christdemokrat wollte die Spitzen seiner Partei im Interimskabinett durchsetzen. Gross machte seinen Rücktritt davon abhängig, dass in einer Regierung unter dem Diplomaten Kohout keine Spitzenpolitiker sondern nur Caretaker säßen, und ließ die Abmachung platzen.
Das Erbe des Stanislav Gross ist klein. In den knapp neun Monaten seiner Regierung hat der Karrierepolitiker außer der Privatisierung der tschechischen Telecom so gut wie nichts durchgesetzt. Was bleibt ist der bittere Nachgeschmack einer Affäre um einen ungeklärten Kredit, den Gross 1999 zur Finanzierung einer Eigentumswohnung aufgenommen hat, sowie undurchsichtige Geschäfte seiner Gattin Sarka. Mangel an politischer Reife bewies Gross nicht nur im Amt, sondern auch danach. Er werde nur noch 2.500 Euro anstelle seines Ministerpräsidentengehaltes von knapp 5.000 Euro verdienen, beschwerte sich Gross nach seinem Rücktritt.