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Archiv-Artikel

Druck auf den Kessel

STÄDTEBAU In Altona-Altstadt ist ein weiterer Wohnkomplex entstanden. Das bedeutet Zulauf für Kindergärten, Umsatz für Supermärkte und mehr Menschen auf wenig Raum

Auf dem ehemaligen Schulhof stehen heute Neubauten – sie sind eckig, schnörkellos und modern

VON MAREN MEYER

Dort, wo die Virchowstraße auf die Chemnitzstraße trifft, steht ein Backsteingebäude – frisch verputzt, mit weiß getünchten Fensterrahmen und frisch geputzten Scheiben. Dahinter hängen Gardinen und neben die hohe Eingangstür hat jemand einen Zettel an die Klingelpalette geklebt: „Klingel bei Warners funktioniert noch nicht – bitte reinkommen“. Auf der gegenüberliegenden Seite das „alte“ Altona: Jugendstil im Glanz vergangener Tage, Putz bröckelt hier und da. An einer Hausfassade hängen tibetische Gebetsfahnen, davor steht eine verrostete Bank.

„Man brauchte mehr Wohnraum“, sagt Gesche Boehlich, GAL-Fraktionsvorsitzende des Bezirks Altona. Zur Zeit der Ausschreibung habe das Schulgebäude leer gestanden, es habe sich angeboten, den Platz zu nutzen. Das war lange bevor der SPD-Senat seine große Wohnungsbauoffensive startete. Die Neubauten des Projekts „Skolegaarden“ (Schulhof) bieten einen Vorgeschmack auf die 9.000 neuen Wohnungen, die in nächster Zeit in Altona gebaut werden sollen. Bis 2015 sollen sie zwischen Rissen und Ottensen entstehen. So viele, wie in keinem anderen Bezirk.

Den Zuschlag für das Projekt „Skolegaarden“ bekamen der Bauverein der Elbgemeinden (BVE), die Wulff Hanseatische Bauträger GmbH (WHB), die Lawaetz-Stiftung und die Baugemeinschaft „StattSchule“. Initiiert wurde das Projekt unter dem CDU-Senat. Als die Diskussion um den Abriss des alten Bismarckbads am Bahnhof, 2005, die Gemüter erhitzte, machten Bäderland, der Senat und die schwarz-grüne Koalition des Bezirks einen „Deal“:

Auf dem Gelände der abzureißenden Bruno-Tesch-Gesamtschule sollte ein neues Schwimmbad entstehen und die Schule neu gebaut werden. Die benachbarte Schule an der Chemnitzstraße musste schließen. Ihr altes Gebäude sollte in ein Wohnhaus verwandelt werden, weitere Wohnungen auf ihrem ehemaligen Sportplatz entstehen. So sollte sich das ganze Projekt finanzieren.

Auf dem ehemaligen Schulhof stehen heute Neubauten. Sie sind eckig, schnörkellos und modern, die Fassaden gelb und weiß gestrichen, die Balkone mit Holz verkleidet. Vis-à-vis steht die ehemalige Schule in Backstein, hell- und dunkelrot. Mit Metallgerüsten wurden ihr Balkone auf die Fassade gesetzt.

„Natürlich verändern neue Bauten das Stadtbild“, räumt die GAL-Abgeordnete Boehlich ein. „Besonders im innerstädtischen Raum müssen Rahmenbedingungen eingehalten werden“, verlangt ihr Kollege Sven Hielscher von der CDU. Alt- und Neubauten sollten verbunden werden. Auch dürfe nicht über die Silhouette der Umgebung hinaus aufgestockt werden.

Insgesamt 125 Wohnungen sind neu entstanden – Miet- und Eigentumswohnungen. Darunter sind acht Stadthäuser mit 16 Wohnungen: bis zu 130 Quadratmeter groß, mit vier bis fünf Zimmern. Insgesamt 71 Wohnungen gehören dem BVE. Als Nettokaltmiete verlangt er zwischen 8,70 und 9,30 Euro den Quadratmeter. Die restlichen Wohnungen fallen auf den WHB und die Lawaetz-Stiftung.

Zwischen den Häusern liegen kleine Gärten, Hecken und Beete – unbepflanzt, karg. Schmale Wege verbinden die drei- bis fünf-stöckigen Wohnkomplexe. Sie sind noch sandig und ohne Bodenplatten. Bauarbeiter fahren mit schuttbeladenen Schubkarren hin und her. „Meine Tochter lebt hier in der alten Schule“, sagt Monika Brecht. Es gefalle ihr sehr gut, die Nachbarn seien auch nett. Nur eingewöhnen müsse sie sich noch – sie habe vorher auf St. Pauli gelebt. „Das ist schon eine Umstellung“, sagt Brecht.

An der Ecke Chemnitzstraße gibt es einen Kiosk. Hinter der Theke steht dessen Inhaber Askin Payman. Er freut sich über die neue Kundschaft. „Ich begrüße den Neubau“, sagt er. Das Geschäft laufe besser als vorher.

Ein Nachteil von verdichtetem Bauen in innerstädtischen Gebieten ist nach Ansicht des CDU-Abgeordneten Hielscher die wachsende Anonymität. „Das ist nicht immer hilfreich, da sich jeder nur um seine Angelegenheiten kümmert“, sagt er.