: Metamorphosen im Fußballrevier
Gelsenkirchen ist seit heute erste Etappe der Wanderausstellung „Fußballregion Ruhrgebiet“. Bis zur WM 2006 werden 14 Orte einbezogen. Die Schau skizziert die Geschichte des Ruhrgebietfußballs
AUS GELSENKIRCHEN HOLGER PAULER
Natürlich durften bei der Ausstellungseröffnung „Fußballregion Ruhrgebiet“ gestern in der Arena AufSchalke die üblichen Stereotypen nicht fehlen. Das Herz des Fußballs, wo schlägt es wohl? Der Kaiser Franz ist halt immer präsent, auch wenn er gar nicht da ist. Und dann ist da noch die Rivalität Schalke-Dortmund. Geschenkt. Moderator Norbert König (ZDF) hielt sich darüber hinaus angenehm zurück. Auch die Festredner Rudi Assauer (Schalke), DFB-Präsident Theo Zwanziger und NRW-Sportminister Michael Vesper (Grüne), in dieser eigentlich „nicht vorgesehenen Reihenfolge“ (Norbert König), hatten Besseres zu tun, als die übrigen Gäste vom Rundgang mit anschließendem Buffet abzuhalten. Gut so!
Die Arena ist dabei nur die erste von insgesamt 14 Etappen der Wanderausstellung. Ab Morgen dürfen die Fußballinteressierten den Wissenschaftspark Gelsenkirchen aufsuchen, um sich bis zum 22. Mai über den Ruhrgebietsfußball samt seiner Geschichte und Auswüchse zu informieren. Auf Gelsenkirchen folgen unter anderem Bochum und Essen, aber auch Hamm und Witten. Der Kreis soll sich dann im Juni 2006, kurz vor der „sehnlichst erwarteten Fußball-WM“, wie Vesper anmerkte, schließen – natürlich in Dortmund.
Inhaltlich geht es nicht nur um die Chronologie des Ruhrgebietfußballs. Die weiteren Fixpunkte heißen Kabine, Kneipe, Stadion, Fußball und Medien. Dazu gibt es ein Begleitprogramm mit Filmen, Diskussionsveranstaltungen und Projekten an Schulen.
Der kleine Rundgang, sozusagen der Appetizer, in der Arena AufSchalke zeigt bewusst subjektiv gesetzte Ausschnitte der vergangenen gut 100 Jahre auf mehr als einem Dutzend Stellwänden: die Metamorphose des feineren Fußball- zum Arbeitersport zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowie den unvermeidlichen Untergang der Proletariererclubs – parallel zum Zechensterben im Revier. SV Sodingen, Sportfreunde Katernberg oder Hamborn 07 heißen die zumindest in der überregionalen Öffentlichkeit vergessenen Traditionsträger aus vergangenen Zeiten. Des weiteren im Programm: Fußball unterm Hakenkreuz, Lokalderbys im Großen, Schalke gegen Dortmund, und eine Nummer kleiner: Bochum gegen Wattenscheid. Hartplatzromantik in der Kreisklasse trifft auf Arena-Gigantomanie. Nicht wirklich überraschend, aber immer wieder nett anzuschauen.
„Zwei Besonderheiten kennzeichnen das Projekt: die enge Zusammenarbeit mit Schulen vor Ort sowie einem lokalen Fußballverein“, heißt es im Begleitheft zur Ausstellung. In den einzelnen Städten haben Schüler der Sekundarstufe II eines Gymnasiums oder einer Gesamtschule an der Ausstellung mitgearbeitet. Wie Fußballhistoriker haben sie die lokale Fußballgeschichte erforscht. Die Ergebnisse sind als ergänzende „Lokalteile“ in der Ausstellung zu sehen.
Zudem werden sich Vereine, die regionale Fußballgeschichte mitgeschrieben haben, in jeder Stadt in vielfältiger Weise beteiligen. Im Fall Gelsenkirchens sind es die STV Horst Emscher Husaren, Heimat des Ex-Schalkers Olaf Thon. Nach dem Krieg immerhin acht Jahre in der höchsten deutschen Spielklasse, der damaligen Oberliga West, zu Hause, stehen die Husaren momentan vor dem Abstieg in die sechstklassige Landesliga.
Die Fußballregion Ruhrgebiet wird auch von außerhalb wahrgenommen. Ausgerechnet DFB-Präsident Theo Zwanziger, eigentlich im Rheinland zu Hause, outete sich unfreiwillig als Ruhri. „Mein Herz schlägt zwar in Mönchengladbach und leidet im Moment etwas, aber der Franz hat Recht: Großer Fußball und kleine Aschenplätze – das sind die Merkmale des Fußballs im Ruhrgebiet.“ Doch ein Sieg der abstiegsbedrohten Borussen am Wochenende gegen den VfB Stuttgart würde zumindest dem FC Schalke 04 in Richtung Champions-League-Qualifikation sehr helfen, so Zwanziger. Damit ist die Verbindung hergestellt. Dass dabei vermutlich der VfL Bochum ins Gras beißen würde, schien in Gelsenkirchen niemanden sonderlich zu stören. Tradition verbindet eher als Nachbarschaft.
„Fußballregion Ruhrgebiet“, vom 27. April bis 22. Mai im Wissenschaftspark Gelsenkirchen