ein jahr junge-reyer : Bilanz mit Makel
Zwei Tage noch, dann ist es ein Jahr her, dass Ingeborg Junge-Reyer (SPD) zur Senatorin für Stadtentwicklung gewählt wurde. Die Bilanz, die sie seitdem aufweisen kann, kann sich sehen lassen. Anders als ihr Vorgänger Peter Strieder erwies sich Junge-Reyer als entscheidungsfreudig und keinerlei Seilschaften verpflichtet. Mitunter hält man sie deshalb sogar für Höheres berufen als die Landespolitik.
KOMMENTAR VON UWE RADA
Einen Makel hat die Bilanz aber dennoch, und der zeigte sich ausgerechnet auf der Senatssitzung kurz vor ihrem Jubiläum. Auf Drängen Junge-Reyers wurde der überarbeitete Entwurf für das Kulturforum verabschiedet. Auch wenn die Senatorin von „hohem Respekt“ für die Ideen des 1972 verstorbenen Architekten Hans Scharoun spricht, ist das Ensemble aus Bauklötzen alles andere als eine Vollendung des Kulturforums im Sinne des Architekten der Philharmonie.
Respekt, und zwar ganz ordentlichen, hat Junge-Reyer wohl eher vor dem Senatsbaudirektor gehabt. Bei Hans Stimmann gerät die Entschlussfreude der Senatorin offensichtlich an ihre Grenzen. Und das erstaunt, schließlich war keiner nach dem Rücktritt Peter Strieders nervöser gewesen als der machtbesessene Geschmacksdiktator des „Neuen Berlin“. Heute aber weiß er: Nicht nur Strieder ließ ihn gewähren, auch seine Nachfolgerin scheut den Konflikt. Städtebau, so lautet also der Makel in der Bilanz, ist ihre Sache nicht.
Dabei hätte es eine ebenso elegante wie sinnvolle Lösung gegeben. In einem Jahr geht Hans Stimmann in Ruhestand. Bis dahin hätte man die Entscheidung zum Kulturforum vertagen können. So aber wird sich Junge-Reyer am zweiten Jubiläum die Frage gefallen lassen müssen, welches Stadtbild es in der Post-Stimmann-Ära denn sein soll? Antworten ist sie bislang schuldig geblieben.